Ärzteschaft

Berliner Amtsarzt: Viermal mehr SARS-CoV-2-­Infizierte als wir sehen

  • Donnerstag, 5. November 2020
/picture alliance, Wolfgang Kumm
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Berlin – Der Berliner Amtsarzt Patrick Larscheid hält die Coronaansteckungszahlen in der Hauptstadt für unterschätzt. „Wir gehen von einer viermal höheren Zahl Infizierter aus, als wir tatsächlich sehen“, sagte er. In Berlin schnellte die Zahl der Positivtests mit 7,6 Prozent Ende Oktober über den Höchstwert im Frühjahr von 7,4 Prozent.

Larscheid ist Amtsarzt im Bezirk Reinickendorf. Von Berlins Gesundheitsämtern würden nur noch Menschen mit Symptomen getestet, sagte er. „Da ist die Positivrate naturgemäß etwas höher.“ Im Frühjahr seien viel breiter Menschen ohne Symptome getestet worden. „Das können wir uns jetzt überhaupt nicht mehr leisten.“

Die Interpretation der Amtsärzte sei mit Blick auf die aktuellen Positivraten, dass es eine höhere Dunkelziffer gebe. „Auf jeden Getesteten, den wir sehen, kommen mehr Positive als wir sehen.“ Wer sich jetzt in einer Menschenmenge bewege, habe deshalb ein höheres Infektionsrisiko als noch im Frühjahr.

Die Laborkapazitäten sind nach Larscheids Angaben erschöpft und können – anders als im Frühjahr – auch nicht weiter hochgefahren werden. Allein in Berlin gab es pro Woche zuletzt mehr als 66.000 Tests. Bei manchen Laboren dauere es inzwischen drei bis vier Tage, bis ein Testergebnis vorliege, sagte Larscheid.

Neben den Gesundheitsämtern schicken auch Arztpraxen, Teststellen und kommerzielle Anbieter Proben ein. „Wie viele Tests von wem kommen, kann niemand genau sagen“, berichtete Larscheid. „Wir sind Konkurrenten um die Laborkapazität.“

Die Gesundheitsämter seien gezwungen, ihre Kapazitäten einzugrenzen. Sie könnten Res­sourcen jetzt nicht mehr für Menschen mit einer Erkältung nutzen, sagte Larscheid. „Die kriegen von uns gar keinen Termin.“ Voraussetzung seien nun schwere respira­torische Erkrankungen – dazu zählten zum Beispiel eine Bronchitis, Lungenent­zündungen und Atemnot.

Wer ein positives Testergebnis hat, bekommt in Reinickendorf inzwischen eine SMS – wenn es nicht um Risikogruppen geht. „Wir finden das nicht supercool, aber wir brauchen unsere Fachleute für die schweren Fällen“, sagte Larscheid. Alle anderen müssten für Ein­zelheiten warten und sich erst einmal selbst in Quarantäne begeben sowie ihre Kontakte informieren.

In den Alten- und Pflegeeinrichtungen der Hauptstadt gebe es noch ein relativ geringes Ausbruchsgeschehen, sagte Larscheid. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, da machen wir uns keine Illusionen.“

dpa

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