Betrugsverdacht: KBV kritisiert anonymes Meldeverfahren

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat das anonyme Meldeverfahren für Fehlverhalten im Gesundheitswesen, das der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf seiner Internetseite eingerichtet hat, scharf kritisiert. Das sogenannte Hinweisgeber-Formular rufe regelrecht zu Missbrauch und Verunglimpfung der Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland auf, sagte KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Köhler.
„Wir fordern vom GKV-Spitzenverband eine höhere Hürde: Wer ein Vergehen melden möchte, sollte sich auch zu erkennen geben und für Rückfragen zur Verfügung stehen“, so der KBV-Chef. Die im Formular verwendeten Begrifflichkeiten Tatort, Tatzeit und tatverdächtige Person seien im höchsten Maße unangebracht, der GKV-Spitzenverband betreibe eine populistische Vorverurteilung aller ehrlich arbeitenden Ärzte und Psychotherapeuten.
Köhler: „Mit diesem Vorgehen halten die Krankenkassen an ihrer Diffamierungs-Kampagne gegen die Ärzteschaft fest und schaffen systematisch eine Misstrauenskultur zwischen Patient und Arzt.“ Er forderte den GKV-Spitzenverband auf, das Formular sachlicher und neutraler zu gestalten und die Angaben zur meldenden Person verpflichtend zu machen.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nannte den Aufruf völlig überzogen. Er könne den Unmut über diesen Stil nachvollziehen, sagte Bahr den Ruhr Nachrichten vom Samstag. „Krankenkassen sind keine Staatsanwaltschaften und sollen sich auch nicht anmaßen, diese zu ersetzen.”
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz regte an, „auf eine diskriminierende Wortwahl“ in den Formularen zu verzichten. Ebenso wären kurze Beispiele wichtig. „Denn viele Patienten werden gar nicht wissen, worauf es bei dem Thema ankommt“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Grundsätzlich begrüßten die Patientenschützer, dass es jetzt einen direkten Weg für Patienten gibt, ärztliches Fehlverhalten den Krankenkassen zu melden.
„Warum das nur für Fälle von Bestechung möglich ist, ist schleierhaft“, kritisierte jedoch Brysch. Es werde wohl kaum vorkommen, dass ein Patient dabei ist, wenn ein Geldkoffer den Besitzer wechselt. Für Patienten selbst wäre es viel wichtiger, ein solches Meldeverfahren für ärztliche Fehlbehandlungen und falsche Rechnungsstellung zu haben.
Entsprechende Stellen bei den einzelnen Kassen und beim Spitzenverband sollten Fehlverhalten nachgehen und eine Anlaufstelle für Versicherte sein, die sich falsch behandelt fühlen. "Ob ein Fehlverhalten eine Straftat darstellt, entscheiden die Staatsanwaltschaften und niemand anderes", sagte der Minister.
Mit dem Hinweisgeber-Formular will der GKV-Spitzenverband Bürgern seit Mitte April die Möglichkeit geben, Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu melden. Dem Verband zufolge gehören dazu vor allem Abrechnungen von nicht erbrachten oder von nicht mit einer notwendigen Qualifikation erbrachten Leistungen, Rezept- oder Verordnungsfälschungen, unzulässige Zusammenarbeit von Leistungserbringern und Vertragsärzten, Zuweisungen von Versicherten gegen Entgelt sowie Missbrauch von Krankenversichertenkarten.
Menschen, die einen derartigen Verdacht gegen Ärzte oder Psychotherapeuten haben, können ihn mit wenigen Klicks und anonym über das neue Formular anzeigen.
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