Ärzteschaft

Bewertung von Antigentests: Streit zwischen PEI und Virologe Keppler

  • Mittwoch, 30. März 2022

München – Der Münchner Virologe Oliver Keppler hält die günstige Bewertung von Coronaschnelltests durch das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für falsch. Das Institut wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Keppler, der Leiter der Virologie an der Münchner Ludwig Maximilians-Universität (LMU) ist, wirft den Studien­autoren des PEI vor, dass die Arbeit wissenschaftlichen Standards nicht genüge. Keppler kritisiert unter anderem, dass die Zahl der Proben für eine verlässliche Studie viel zu gering gewesen sei.

Das PEI war in der vorige Woche veröffentlichten Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass 20 un­ter­suchte Antigenschnelltests die Omikron- und die Delta-Varianten des Coronaerregers vergleichbar zu­verlässig erkennen. Das widersprach den Ergebnissen einer Münchner Studie ebenso wie einer Unter­suchung der Universitätskliniken Genf.

„Es wurde eine viel zu kleine Zahl an respiratorischen Proben pro Virusvariante untersucht, nämlich vier, verglichen mit 50 bis 100 in den meisten internationalen Studien“, schreibt Keppler in seiner Bewertung der PEI-Studie. Die PEI-Daten erfüllten wissenschaftliche Mindeststandards nicht und seien daher nicht aussagekräftig.

„Für solche Untersuchungen braucht es ausreichend große Probensets, um statistische Vergleichbarkeit zu erzielen“, heißt es in Kepplers Stellungnahme. Darüber hinaus seien weitere Untersuchungen mit in Zellkulturen expandierten Virusvarianten durchgeführt worden, obwohl die klinische Aussagekraft dieser Methode mittlerweile stark bezweifelt werde.

„Die vielen Alltagsberichte von mehrfach falsch-negativen Antigenschnelltests selbst bei symptomati­schen Menschen, bei denen dann erst Tage später per PCR-Test COVID-19 diagnostiziert wird, sollten uns allen zu denken geben“, schrieb Keppler.

„Für eine mit Millionen durch den Bund geförderte Bundesbehörde, deren genuine Aufgabe und Verant­wortung es ist, diese Fragen fundiert und verlässlich für das Pandemiemanagement in unserem Land zu klären, ist dies fast vier Monate nach Erstbeschreibung von Omikronfällen in Deutschland viel zu spät, inhaltlich dünn und in der Aussagekraft fraglich.“

Das PEI wies die Vorwürfe zurück: „Die wissenschaftlichen Arbeiten des Paul-Ehrlich-Instituts erfüllen die hohen Anforderungen an wissenschaftliches Arbeiten, die Ergebnisse werden in anerkannten wissen­schaft­lichen Journals publiziert und dort einer unabhängigen Begutachtung durch andere Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler unterzogen“, hieß es in einer Stellungnahme.

Demnach wurden für die PEI-Untersuchung zusätzlich zu einer zurückliegenden umfassenden Evaluie­rung mit 50 Proben „nun für die Omikron-Variante zehn ausgewählte Proben bekannter Konzentration, für die Delta-Variante vier und für die Wuhan-Variante sechs charakterisierte Proben eingesetzt“.

Die meisten Tests nutzten für die Feststellung des Erregers Zielregionen innerhalb des Nukleokapsid­proteins, „die von einer der Omikron-Mutationen nicht betroffen sind, so dass es theoretisch für viele Tests keine Grundlage für einen verminderten Omikron-Nachweis gibt“, antwortete das PEI auf Kepplers Kritik.

dpa

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