„Biotech Barbie“ und andere US-Unternehmer streben genveränderte Babys an

Berlin – Trotz kontroverser Diskussionen treiben kleine Biotech-Startups die Genomeditierung menschlicher Embryonen voran. Ausgegebenes Ziel ist es, Erbkrankheiten zu verhindern.
Eine besonders schillernde Figur auf dem Gebiet ist Cathy Tie, eine in China geborene Forscherin und Unternehmerin aus Kanada. Sie ist eine der Gründerinnen des Unternehmens Manhattan Genomics mit Sitz in New York.
Die Firma will Techniken zur DNA-Modifikation bei Embryonen erforschen und stellte vor einigen Tagen ein Team von Fachleuten vor, die das Projekt unterstützen sollen. Der Firmen-Slogan: „Eine Zukunft ohne Erbkrankheiten gestalten“.
Obwohl Tie erst um die 30 Jahre alt ist, hat sie bereits mehrere Biotech-Firmen gegründet, wie die Nachrichtenseite des Fachmagazins Nature schreibt. Dort wird sie auch als „Biotech-Barbie“ bezeichnet, sie selbst nutzt den Hashtag „Barbie“ unter einem ihrer Youtube-Videos.

Laut dem MIT Technology Review ist Tie zudem Partnerin beim Los Angeles Project, das an leuchtenden Kaninchen und an der Erschaffung von Einhörnern arbeitet. Dafür sollen Pferdeembryos Gene für Hörner bekommen.
Praktisch zeitgleich mit Manhattan Genomics teilte auch die US-Firma Preventive mit, die Genomeditierung bei Embryonen erforschen zu wollen. Welche Techniken im Detail verwendet und welche Krankheiten genau im Fokus stehen, lassen sowohl Preventive als auch Manhattan Genomics weitgehend offen.
Umstrittener Ansatz
Den Verantwortlichen scheint bewusst zu sein, wie heikel und umstritten ihre Mission ist. Manhattan Genomics veröffentlichte ein ausführliches Ethik-Statement, Preventive schreibt: „Wir werden diese Technologie nicht für den klinischen Einsatz am Menschen weiterentwickeln, wenn die Sicherheit nicht durch umfangreiche Forschung nachgewiesen werden kann. Wir werden keine Kompromisse bei den Sicherheitsstandards eingehen, um den Zeitplan zu beschleunigen.“
Einige Fachleute sagen, dass die Risiken für solche Eingriffe in die Keimbahn viel zu hoch sind. „Die Messlatte für Sicherheit ist so, so, so, so hoch“, zitiert Nature den Biochemiker Alexis Komor von der University of California San Diego, der sich mit Gene-Editing beschäftigt. „Wir sind definitiv noch nicht so weit.“
Auch Junjiu Huang, ein chinesischer Biologe, findet laut Nature den Zeitpunkt der aktuellen Vorstöße zu früh. Die Technologie sei noch nicht ausgereift, sagte Huang, der 2015 als Erster das Erbgut von menschlichen Embryonen verändert haben soll, allerdings ohne sie danach einer Frau einzusetzen. Zudem sind laut Huang ethische Fragen bislang nicht geklärt, es gebe keinen gesellschaftlichen Konsens und keine ausreichenden rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz der Technologie.
Empörung über erste Crispr-Babys
Die Möglichkeit, Embryos im frühen Stadium genetisch zu manipulieren, wird in der Öffentlichkeit vor allem seit dem Jahr 2018 diskutiert. Damals verkündete der chinesische Forscher He Jiankui, dass zwei Mädchen auf die Welt gekommen seien, deren Erbgut er zuvor mit der Genschere Crispr verändert hatte, um sie immun gegen HIV zu machen.
Das hatte in der Forschungsgemeinschaft und in der Öffentlichkeit für Empörung gesorgt. Jiankui verlor seinen Job und wurde von einem chinesischen Gericht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Interessantes Detail: „Biotech Barbie“ Cathy Tie war eigenen Angaben zufolge im Frühjahr diesen Jahres kurzzeitig mit He Jiankui liiert, er soll aber nicht an Manhattan Genomics beteiligt sein.
Internationale Koryphäen forderten 2019 ein Moratorium für solche Eingriffe, unter anderem wegen technischer Bedenken – der Eingriff kann unerwünschte Auswirkungen haben – und ethischen Überlegungen: „Die Einführung genetischer Veränderungen in zukünftige Generationen kann dauerhafte und möglicherweise schädliche Auswirkungen auf die Spezies haben.
Diese Mutationen können nicht aus dem Genpool entfernt werden, es sei denn, alle Träger erklären sich bereit, auf Kinder zu verzichten oder genetische Verfahren anzuwenden, um sicherzustellen, dass sie die Mutation nicht an ihre Kinder weitergeben.“
Befürworter der Technologie führen nun ins Feld, dass die Methoden zur Geneditierung seit den Crispr-Babys von He Jiankui wesentlich präziser geworden seien.
In einer Pressemitteilung wird Tie mit den Worten zitiert: „Das ist das Manhattan Projekt unserer Generation”. Zur Erinnerung: Als Manhattan Projekt wird die Entwicklung der US-amerikanischen Atombomben während des 2. Weltkriegs bezeichnet.
Man wolle „sicherstellen, dass kein Kind eine vermeidbare genetische Erkrankung erbt“, so Tie. Ziel sei es „schädliche Mutationen im Embryonalstadium zu korrigieren“. So sollen Erbkrankheiten wie Huntington, Mukoviszidose und Sichelzellenanämie in künftigen Generationen verhindert werden.
Manhattan Genomics schreibt auf seiner Webseite, dass das einzige Ziel sei, Erbkrankheiten zu verhindern. Es ginge nicht darum, bessere Menschen zu erschaffen. Die Verantwortlichen betonen immer wieder, dass man sich an alle US-amerikanischen Regularien halte. Alle Embryonen, an denen geforscht werde, seien „mit vollständiger, informierter Zustimmung von Personen gespendet wurden, die sich entschieden haben, diese nicht für ihre In-Vitro-Fertilisation zu verwenden“.
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