Bluttest für Krebstherapieresistenzen schneidet in Studie besser als Biopsie ab

Boston – Eine Liquid Biopsy scheint besser als eine herkömmliche Tumorbiopsie zu sein, um Therapieresistenzen bei Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes zu entdecken. Das zeigt eine Studie in Nature Medicine, in der Blut- und Gewebeproben von 23 Patienten verglichen wurden (2019; doi: 10.1038/s41591-019-0561-9).
Genetisch bedingte Resistenzen gegenüber gezielten Krebstherapien identifizieren Ärzte bisher anhand von Proben einzelner Tumoren. Bostoner Wissenschaftler nahmen an, dass dadurch nur ein geringes Spektrum der tatsächlich vorhandenen Resistenzen in den Tumorzellen gefunden wird und stellten daher einen Vergleich mit einem Bluttest an.
42 Patienten mit 3 verschiedenen Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes gaben für diese Studie Blutproben nach dem Fortschreiten ihrer Krankheit trotz vorherigen Therapieerfolgs ab. Im Blut suchten die Wissenschaftler nach Tumor-DNA (cell-free DNA, cfDNA, siehe Grafik). Die cfDNA sequenzierten sie und verzeichneten alle klinisch relevanten Mutationen, die bekannt dafür sind, Therapieresistenzen hervorzurufen.

Von 23 der 42 Patienten lagen außerdem herkömmliche Biopsien vor, die ebenfalls nach den Mutationen durchsucht wurden. Bei 18 der 23 Fälle (78 %) haben die Wissenschaftler mithilfe des Bluttests zusätzliche Resistenzen entdeckt, die in der Tumorbiopsie nicht aufgespürt werden konnten. In nur einem Fall fiel in der klassischen Biopsie eine Resistenz auf, die in der Liquid Biopsy nicht auftrat.
Resistenzen sind nicht in allen Geweben gleich verteilt
Durch einen Vergleich ihrer Ergebnisse mit umfangreicheren Tumorbiopsien bei einzelnen Patienten konnten die Wissenschaftler außerdem Evidenz dafür sammeln, dass Resistenzen individuell in einzelnen Tumoren und Metastasen auftreten und nicht etwa für den Patienten in allen Geweben gleichverteilt sind.
Diese Studie zeige sehr gut, dass die Tumorheterogenität durch Liquid Biopsy-Analysen besser gemessen werden könne als in den Primärgeweben oder Biopsieproben, schlussfolgert Holger Sültmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. „In einigen Fällen könnten solche Faktoren auch eine Änderung der Therapie begründen“, sagt der Leiter der Abteilung Krebsgenomforschung.
Jedoch seien die Ergebnisse nicht ohne weitere Tests auf gastrointestinale Tumoren oder andere Krebsarten übertragbar. „Die Fallzahlen reichen keinesfalls aus. Im Gegenteil zeigen die Daten, dass – so heterogen wie die Tumoren– auch die Mechanismen der Resistenzbildung bei jedem Patienten unterschiedlich sind.“
Ein wichtiger Aspekt sei das Tumorstadium, erklärt der DKFZ-Experte: Die beiden in der Publikation erläuterten Fallbeispiele würden sich auf metastasierte Tumoren beziehen. „Bei diesen Patienten wird im Allgemeinen viel DNA im Blut gefunden. Schwieriger ist der Nachweis von Resistenzmutationen bei Tumoren, die noch keine Metastasen gebildet haben. Auch aus diesem Grund sollte keine Verallgemeinerung erfolgen.“
Ersatz der Biopsie durch cfDNA-Analyse beim Bronchialkarzinom
Auch Christian Thiede vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden ist der Ansicht, dass die Studie aufgrund der geringen Fallzahlen noch keinen Ersatz der Tumorbiopsie rechtfertigen kann. Bei anderen Tumoren ist der klinische Ensatz hingegen bereits in der Klinik angekommen.
Als Beispiel nennt der Professor für molekulare Hämatologie das Bronchialkarzinom, bei dem der Nachweis resistenzvermittelnder Mutationen mittels cfDNA (insbesondere die T790M-Mutation des EGFR) bereits seit Anfang 2019 von den gesetzlichen Kassen erstattet werden würde.
Zudem könnte ein Liquid Biopsy-Test eingesetzt werden, wenn die Entnahme einer Biopsie wegen fehlender Zugänglichkeit oder wegen eines erheblichen Risikos für die Patienten nicht möglich sei, ergänzt Sültmann. „Dies wird jedoch bisher in der Klinik im Allgemeinen nicht umgesetzt“, so seine Kritik.
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