Britische Behörde lehnt Impfstoff gegen Meningitis B ab
London – Der erste Impfstoff gegen die Meningitis B wird in Großbritannien vermutlich nicht breit zum Einsatz kommen. Das Joint Committee on Vaccination and Immunisation (JCVI), das die Gesundheitsminister im Vereinigten Königreich berät, hat sich gegen die Aufnahme in den nationalen Impfplan ausgesprochen.
Der Impfstoff Bexsero des Schweizer Herstellers Novartis war im Januar von der EU-Kommission zugelassen worden, nachdem die Europäische Arzneimittelagentur EMA im November letzten Jahres grünes Licht gegeben hatte. Die Zulassung stützt sich auf klinische Studien, in denen Kinder im Alter von 2, 4 und 6 Monaten geimpft wurden. In einer kürzlich im Lancet (2013; 381 825-835) publizierten Studie des Herstellers erreichte der Impfstoff eine Effektivität von 84 bis 100 Prozent – bezogen auf die Entwicklung von bakteriziden Antikörpern. Dieser Surrogat-Parameter ist ein gewisser Unsicherheitsfaktor in der Beurteilung der Effektivität. Eine Reduktion der Erkrankungsrate konnte jedoch wegen der Seltenheit der Meningitis B nicht untersucht werden.
In Großbritannien sind zuletzt während eines Jahres 613 bestätigte invasive Meningitiserkrankungen (IMD) durch den Serotyp B von Neisseria meningitidis aufgetreten, an denen 33 Patienten starben. Bei etwa einem Zehntel der Überlebenden hinterlässt die Meningitis B dauerhafte körperliche und/oder neurologische Schäden, einschließlich Amputationen, Ertaubungen oder Epilepsien und/oder Lernstörungen. Ein weiteres Drittel erleidet leichtere Spätschäden.
Diese Aussichten konnten die Herzen der Mitglieder des JCVI nicht erweichen. Die Experten äußern in ihrem Gutachten Zweifel an der langfristigen Schutzwirkung, da die Antikörperantwort „schnell“ nachlasse, und da der Impfstoff nur drei Viertel aller in Großbritannien verbreiteten Stämme erfasse, würde eine Impfung aller Säuglinge vermutlich nur ein Viertel aller Erkrankungen vermeiden. Unter dieser Prämisse sei der Impfstoff nicht kosteneffektiv, und zwar unabhängig von der Höhe des Preises (den Novartis offenbar noch nicht genannt hat).
Eine Kosteneffektivität sei auch nicht unter der Annahme zu erwarten, dass die allmähliche Impfung der gesamten Bevölkerung die Zahl der „Carrier“ senkt. Bei etwa einem Zehntel der Erwachsenen und einem Fünftel der Jugendlichen sind die Erreger im Rachen nachweisbar. Diese Personen können, obwohl sie selbst gesund sind, die Meningokokken übertragen und beim Empfänger eine tödliche Erkrankung auslösen. Eine allgemeine Impfung würde den Anteil der Carrier und damit vermutlich auch die Gesamtzahl der Erkrankungen senken.
Die jetzt veröffentlichte Interims-Empfehlung ist nicht bindend. Die Regierung kann mit dem Hersteller nachverhandeln. Bei anderen Gelegenheiten hatte das National Institute for Health and Care Excellence (NICE), das die Wirtschaftlichkeit von Medikamenten prüft, Rabatte erreicht. Dies erscheint auch im jetzigen Fall nicht ganz ausgeschlossen, trotz der kategorischen Ablehnung durch das JCVI. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut hat noch keine Empfehlung zu dem neuen Impfstoff abgegeben. Sie rät seit Juli 2006 zu einer Impfung gegen die Meningitis C.
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