Brustkrebsbehandlung: Radioonkologen warnen vor Verallgemeinerung von Studienergebnissen

München – Die im Frühjahr veröffentlichten Ergebnisse einer internationalen Studie, die den Nutzen einer Radiotherapie bei älteren Patientinnen mit einem Rezeptor-positiven Mammafrühkarzinom infrage gestellt hatten, stoßen bei deutschen Radioonkologen auf Bedenken.
Eine Vertreterin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie warnte auf dem 42. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie in München vor einer Verallgemeinerung der Studienergebnisse ohne kritische Überprüfung.
An der Studie PRIME II der „Scottish Cancer Trials Breast Group“ (New England Journal of Medicine, 2023; DOI: 10.1056/NEWoa2207586) hatten, wie berichtet, 1.326 Patientinnen im Alter von über 65 Jahren teilgenommen, bei denen ein hormonrezeptorpositives Mammafrühkarzinom in einer Größe von unter 3 cm entfernt worden war ohne Befall der Lymphknoten. Wie bei hormonrezeptorpositiven Tumoren nach der Menopause üblich hatten alle Frauen eine endokrine Therapie erhalten.
In der Studie waren die Frauen auf eine postoperative Strahlentherapie oder eine Kontrollgruppe randomisiert worden. Die Bestrahlungen hatten die Häufigkeit von Lokalrezidiven in den ersten zehn Jahren von 9,5 % auf 0,9 % gesenkt.
Die Zahl der Patientinnen, die Fernmetastasen entwickelten, wurde durch die Radiotherapie jedoch nicht gesenkt, und sowohl das Brustkrebs-spezifische als auch das Gesamtüberleben waren in beiden Gruppen mit über 97 % beziehungsweise 80 % identisch.
Die Autoren der PRIME II-Studie um Ian Kunkler von der Universität Edinburgh hatten daraus geschlossen, dass auf eine Strahlentherapie verzichtet werden könne, wenn die Patientinnen die Hormontherapie konsequent durchführen.
Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) bewertet die Ergebnisse anders. Die Pressesprecherin Stephanie Combs warnte davor, die Dynamik der Entwicklung von Lokalrezidiven zu unterschätzen. Gerade für ältere Betroffene habe die Rezidivrate – und damit auch die Lebensqualität – einen besonderen Stellenwert.
„Es macht einen großen Unterschied, ob ich, wenn ich mit 65 Jahren an Brustkrebs erkranke, in den 20 Jahren, die mir gemäß aktueller Statistik an Lebenszeit bleiben, erneut einen Tumor bekomme und mich erneut einer Krebstherapie unterziehen muss oder nicht“, so Combs.
Die DEGRO will vor einer endgültigen Bewertung die Ergebnisse von genaueren Subgruppenanalysen abwarten. So ergab die aktuelle Studie laut Combs, dass die Rate an Lokalrezidiven nach zehn Jahren bei Patientinnen mit einem niedrigen Rezeptorstatus fast 19 % betrug. Bei diesen Patientinnen sollte keinesfalls auf eine Bestrahlung verzichtet werden.
Die Expertin der DEGRO verwies darauf, dass derzeit weitere Studien laufen, die insbesondere bei bestimmten pathohistologischen Veränderungen einen Verzicht auf eine Strahlentherapie überprüfen. Bislang lägen hierzu aber nur retrospektive Daten vor, die prospektiven Studien seien noch nicht abgeschlossen. Bis dahin sollten die Ergebnisse der aktuellen Studie nicht unkritisch übernommen werden, so Combs.
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