Ärzteschaft

Bundesärztekammer: Meldepflicht bei Kindesmissbrauch kann Versorgung verhindern

  • Donnerstag, 15. August 2024
/Ilike, stock.adobe.com
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Berlin – In der Europäischen Union (EU) sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, dass unter anderem Ärzte und Psychotherapeuten mögliche Fälle von Kindesmissbrauch verpflichtend melden müssen. Die Bundesärzte­kammer (BÄK) stellte sich hinter die Zielstellung, sieht aber Probleme bei der Umsetzung, vor allem in Bezug auf vergan­ge­ne Fälle.

„Die Bundesärztekammer unterstützt das Ziel des Vorschlags, sexuellen Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern EU-weit zu bekämpfen. Sie sieht die geplanten Detailregelungen auf europäischer Ebene jedoch als nicht zielführend an“, heißt es in einer Stellungnahme der BÄK zu dem EU-Vorhaben.

Durch eine Meldepflicht bestehe keine Möglichkeit mehr, die Opfer in ihrem Interesse im geschützten Raum zu behandeln. Denn die Meldepflicht bestehe „umfassend und auch für abgeschlossene Ereignisse in der Vergangen­heit und auch dann, wenn keine Gefährdung des Kindes besteht“, so die BÄK.

Wer nach einem sexuellen Missbrauch eine Behandlung benötige und nicht wolle, dass eine Behörde darüber informiert werde, müsse zukünftig auf die Therapie verzichten. „Dies betrifft beispielsweise eine 17-Jährige, die ärztlichen Rat in Anspruch nehmen möchte, um Hilfe wegen einer Traumatisierung durch einen fünf Jahre zuvor durch einen verstorbenen Verwandten verübten sexuellen Missbrauch zu erhalten“, macht die Kammer deutlich.

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt wäre dann verpflichtet, den sexuellen Missbrauch der zustän­digen Behörde zu melden. Wollte die Patientin dies – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht, müsse sie künftig auf die Behandlung verzichten.

Die BÄK moniert, dass das Interesse der Patientin an der Vertraulichkeit nicht mehr berücksichtigt werden könnte. Eine Meldung müsse nach ihrer Ansicht auch dann erfolgen, wenn sie nicht dem Kindeswohl entspreche. Auch ein Vertrauensverhältnis könne nicht entstehen, wenn ein intimes Detail wie ein sexueller Missbrauch undifferenziert an staatliche Stellen gemeldet werden müsse.

Die BÄK verweist auf einen Widerspruch innerhalb der EU-Ziele. Denn die EU selbst schreibe, dass Opfer „eine koor­di­nierte, altersgerechte medizinische Versorgung, eine emotionale, psychosoziale, psychologische und pä­dagogi­sche Betreuung sowie jede andere angemessene Betreuung, die insbesondere auf Situationen sexuellen Miss­brauchs zugeschnitten ist“, erhalten sollten.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte die BÄK, dass die Ärzte ihre Verantwortung auch heute schon bei Fällen des Missbrauchs ernst nähmen. Gemäß dem nationalen Recht würden die Mediziner unverzüg­lich das Jugendamt informieren, wenn nach ihrer Einschätzung eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes bestehe, erklärte die Bundesärztekammer.

„Ärztinnen und Ärzte, die von einem sexuellen Missbrauch erfahren, werden dies der zuständigen Behörde mel­den, um eine Gefahr für das Kind auszuschließen“, hieß es. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass sie in diesem Fall eine Meldung unterlassen würden.

kna/may

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