Politik

Bundesbank prognostiziert Anstieg der Gesundheitskosten

  • Donnerstag, 24. Juli 2014

Berlin – Die Deutsche Bundesbank hat einen Anstieg der Gesundheitsausgaben in den kommenden Jahren prognostiziert. Die aktuelle Finanzlage der gesetzlichen Kranken­versicherung (GKV) „stellt sich mit einem nochmaligen Überschuss im vergangenen Jahr und hohen Rücklagen auf den ersten Blick gut dar“, heißt es im Monatsbericht Juli. „Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei nur um eine Momentauf­nahme handelt und ein wieder größerer finanzieller Druck absehbar ist.“ 

Der Verzehr der Rücklagen im GKV-System sei vorgezeichnet. Schon im laufenden Jahr sei nicht zuletzt durch die Kürzung des Bundeszuschusses, die mit einem Rückgriff auf die Reserven des Gesundheitsfonds aufgefangen werden solle, mit einem erheblichen Defizit zu rechnen. „In den kommenden Jahren dürfte es bei anhaltendem Ausgaben­druck weiter steigen, auch wenn der Bundeszuschuss wie derzeit geplant angehoben wird. Perspektivisch stehen damit weitere Beitragssatzanhebungen über das heutige Niveau hinaus an“, meint die Bundesbank.  

„Die prognostizierten Ausgabenanstiege deuten auf eine künftig deutlich höhere Abga­ben­belastung hin“, heißt es weiter. „In Beitragssätze umgerechnet, würde sich gemäß den Vorausberechnungen der Europäischen Union bis zum Jahr 2060 ein Anstieg auf einen Wert zwischen 16,5 und 21,5 Prozent ergeben.“

Ausgaben für Arzneimittel steigen am stärksten
Konkret ergab sich der Bundesbank zufolge für die GKV im ersten Quartal des laufenden Jahres ein Defizit von fast zwei Milliarden Euro, das damit etwa doppelt so hoch ausfiel wie vor einem Jahr. Im Vergleich zum Vorjahr hätten die Krankenkassen ein Einnahme­plus von fast vier Prozent verbucht, das vornehmlich von den höheren, im Vorhinein festgelegten, monatlichen Zahlungen des Gesundheitsfonds herrühre, heißt es in dem Monatsbericht.

„Die Ausgaben wuchsen hingegen mit gut sechs Prozent deutlich stärker.“ Mit einem Anstieg von fast neun Prozent seien die Ausgaben für Arzneimittel nach der Absenkung des Herstellerrabatts zum Jahresbeginn von 16 auf sieben Prozent der wesentliche Kostentreiber gewesen. Aber auch im Krankenhausbereich hätten Versorgungs­zuschläge zu dem starken Anstieg von gut fünfeinhalb Prozent beigetragen.

„Beim Gesundheitsfonds wuchsen die Beitragseinnahmen aufgrund der günstigen Beschäftigungs- und Entgeltentwicklung weiter mit dreieinhalb Prozent“, schreibt die Bundesbank. „Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich beim Gesundheitsfonds, aber möglicherweise auch bei den Krankenkassen ein Defizit ergeben. Insgesamt würde das System der gesetzlichen Krankenkassen damit – mit Ausnahme des Krisenjahrs 2009 – seit 2003 erstmals wieder defizitär abschließen.“

Bundesbank kritisiert „nicht zielgerichtete Planung“ der Politik
Die hohen Rücklagen seien insbesondere in den Jahren 2011 und 2012 mit Überschüssen von jeweils rund neun Milliarden Euro aufgebaut worden, so die Bundesbank weiter. Dies sei allerdings nicht Ergebnis einer zielgerichteten Planung gewesen, sondern habe sich vielmehr aus einer im Vergleich zu den Erwartungen deutlich günstigeren Finanzentwicklung ergeben.

Sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der Einnahmeseite sei in den vergangenen Jahren zwar vieles unternommen worden, um die Finanzen der GKV zu stabilisieren.

„Die ergriffenen Maßnahmen deuten insgesamt allerdings nicht auf eine langfristig angelegte konsistente gesundheitspolitische Zielsetzung hin“, kritisiert die Bundesbank. „So wurden beispielsweise Arzneimittelrabatte wiederholt erhöht und wieder reduziert, die Finanzmittel für die Krankenhäuser gekürzt und ausgeweitet sowie die Praxisgebühr eingeführt und wieder abgeschafft.“ Auch das Finanzierungssystem sei zunächst in Richtung einer Gesundheitsprämie umgestaltet worden, um zuletzt praktisch wieder in die Nähe der Ausgangssituation zurückzukehren.

Bundesbank schlägt Kostenerstattung und Selbstbehalte vor
Die Bundesbank macht auch Vorschläge, wie die Nachfrage nach medizinischen Leis­tungen künftig besser gesteuert werden kann. Denn „im Fall einer Versicherung, bei der die Inanspruchnahme von Leistungen weitgehend ohne individuelle Kosten­betei­ligung und ohne strikte Überprüfung der erbrachten Leistungen erfolgt, besteht die Gefahr einer übermäßigen Nachfrage, insbesondere wenn die Leistungsanbieter einen starken Einfluss auf diese ausüben können“, meint die Bundesbank.

Geändert werden könne dies durch „eine höhere Transparenz für die Patienten über die in Rechnung gestellten Behandlungen und Kosten. Diese könnte beispielsweise durch einen (teilweisen) Wechsel vom Sachleistungs- zum Kostenerstattungsprinzip verbessert werden“.

Einer Überinanspruchnahme könne auch durch Selbstbehalte, Kostenbeteiligungen und Beitragsrückerstattungen entgegengewirkt werden, die bereits Bestandteil des Leis­tungs­rechts seien. Generell wird die Umsetzung derartiger Maßnahmen nach Ansicht der Bundesbank jedoch dadurch erschwert, dass die  Nachteile für Leistungserbringer und potenzielle Zuzahler unmittelbar sichtbar sind, während die Vorteile einer niedrigeren Finanzierungslast breit streuen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat die Vorschläge der Bundesbank unterstützt. Durch Kostenbeteiligungen oder Selbstbehalte könne eine Steuerungswirkung auf die Inanspruchnahme von Leistungen erzielt werden, erklärte ein Sprecher des BDA Medienberichten zufolge. Dies sei ein wirksames Instrument, um den Kostenanstieg im Gesundheitssystem zu bremsen.

fos

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung