Vermischtes

Bundesgerichtshof spricht Frau nach Gabe von Insulinüberdosis frei

  • Donnerstag, 11. August 2022
BGH-Außenstelle in Leipzig /picture alliance/Hendrik Schmidt
BGH-Außenstelle in Leipzig /picture alliance/Hendrik Schmidt

Leipzig – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Frau freigesprochen, die ihrem Mann nach dessen Einnahme tödlicher Medikamente zusätzlich eine Überdosis Insulin gespritzt hatte (Az. 6 StR 68/21). Das Landgericht Stendal hatte die Frau zuvor wegen Tötung auf Verlangen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

Die Berufung vor dem 6. Strafsenat des BGH war erfolgreich, wie das Gericht heute mitteilte. Der Senat ent­schied ohne Rückverweis, weil auszuschließen sei, „dass ein neues Tatgericht Feststellungen treffen könnte, die einen Schuldspruch tragen würden“.

Der vielfach und schwer Vorerkrankte hatte wiederholt den Wunsch geäußert, „gehen zu können“. Auf seine Bitte hin gab ihm die Frau Mitte 2019 alle im Haus verfügbaren Medikamente. Nach deren Einnahme forderte er sie auf, ihm mehrere Insulinspritzen zu verabreichen.

Entsprechend der Absprache der Eheleute wurde anschließend kein Arzt informiert. Auf Bitten der Frau hatte ihr Mann seine Haltung schriftlich dokumentiert. Laut BGH hat sich die Frau, die früher Krankenschwester war, „unter keinem Gesichtspunkt strafbar gemacht“. Eine Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen sei nicht gedeckt.

Vielmehr handele es um straflose Beihilfe zum Suizid, weil der „Sterbewillige bis zuletzt die freie Entschei­dung über sein Schicksal“ gehabt habe. Der BGH bezog sich dabei auch auf die Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts zur Selbsttötung. Seinen Willen habe der Mann „ohne Wissens- und Verantwortungsdefizit frei gefasst“.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte den BGH, weil er „das Verbot der Tötung auf Verlangen de facto aufgehoben“ habe. Vorstand Eugen Brysch erklärte wörtlich: „So ist der Damm zur aktiven Sterbehilfe gebrochen.“

kna/afp

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