Politik

Bundestagsanhörung: Experten enttäuscht von geplanter Klinikreform

  • Montag, 24. November 2008

Berlin - Das geplante Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) ist bei Experten aus der Wissenschaft sowie bei Vertretern von Krankenkassen und Krankenhäusern auf scharfe Kritik gestoßen. Bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages am Montag zu dem Gesetzesvorhaben waren sich fast alle Sachverständigen einig, dass die Reform trotz einiger positiver Ansätze die wesentlichen Probleme der Klinikfinanzierung nicht löst. Vor allem werde das Gesetz nichts an der mangelnden Bereitschaft der Länder ändern, dringend notwendige Investitionen im Krankenhaussektor zu tätigen, beklagten die Experten.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe über die Einführung einer sogenannten Investitionspauschale entscheiden soll. Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), betonte, die Regierung gehe damit in die richtige Richtung. Allerdings sei das Gesetz in dieser Frage viel zu unkonkret. Auch müssten die Kliniken frei entscheiden dürfen, wie sie die Investitionsmittel verwenden möchten.

Ralf Heyder vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands erklärte, viele Länder hätten nicht das Geld, um Investitionen zu tätigen. Deshalb sei ein Umstieg auf ein monistisches Krankenhausfinanzierungssystem sinnvoll. Monistische Finanzierung bedeutet, dass die Krankenhäuser sowohl Betriebsausgaben als auch Investitionsaufwendungen allein aus der Vergütung ihrer erbrachten Behandlungsleistungen durch die Krankenkassen finanzieren.

Der Marburger Bund (MB) wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die medizinische Versorgung im stationären Sektor „als zentraler Bereich der Daseinsversorgung“ auch weiterhin eine staatliche Aufgabe bleiben müsse. „Eine Neuregelung der Investitionsfinanzierung, die diesen Zusammenhang leugnet und die Länder aus dieser Verantwortung und Aufgabe entlässt oder drängt, darf daher nicht das Ziel sein“, so der MB.

Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßte die im Entwurf vorgesehene teilweise Refinanzierung von Tariferhöhungen für Löhne und Gehälter von Klinikbeschäftigten. Keinesfalls zu akzeptieren sei aber, dass nur eine hälftige Finanzierung der Differenz zwischen den tariflichen Vereinbarungen und der Grundlohnsummen-Veränderungsrate erfolgen soll. „Die Bundesärztekammer fordert daher nach wie vor eine vollständige Refinanzierung der tarifvertraglich vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerungen“, heißt es in der Stellungnahme der BÄK.

Der Berliner Gesundheitsökonom Klaus-Dirk Henke warnte hingegen vor einer vollständigen Refinanzierung: „Es kann nicht sein, dass die Kosten für tarifliche Lohn- und Gehaltssteigerungen an die Beitragszahler durchgereicht werden.“

Dieser Meinung waren auch die Vertreter der Krankenkassen. Johann Magnus von Stackelberg, Vorstand des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), rechnete vor, dass auf die Kassen mit dem Gesetz Mehrausgaben von insgesamt 4,6 Milliarden Euro zukommen würden. Mit einem Einheitsbeitragssatz von 15,5 Prozent könne dies nicht finanziert werden. Von Stackelberg regte an, die Mehrbelastungen der Kassen auf 3,5 Milliarden Euro zu beschränken. Dies sei auch deshalb geboten, weil vom nächsten Jahr an bei der Bewertung der Klinikleistungen nicht mehr die Basisfallwerte der Krankenhäuser ausschlaggebend seien, sondern die Landesbasisfallwerte. Die Landesbasisfallwerte lägen zum Teil erheblich über den Haus-Basisfallwerten, was deutliche „nicht beabsichtigte“ Ausgabensteigerungen für die Kassen nach sich ziehen würde.

Begrüßt wurde die Absicht des Gesetzgebers, für die Berechnung der Krankenhausfinanzierung einen Orientierungswert zu bilden. So soll das Statistische Bundesamt bis 2011 eine Art Warenkorb für die Krankenhäuser erstellen, in dem unter anderem die Energiekosten, die Sachkosten und die Personalkosten abgebildet werden.

Allerdings soll die Entscheidung, wann und in welchem Umfang dieser Orientierungswert angewendet wird, künftig allein beim Bundesministerium für Gesundheit liegen.

„Dies ist ein Beispiel für die Tendenz, die Selbstverwaltungs- und Verhandlungslösungen der GKV durch ministerielle Eingriffe zu ersetzen“, kritisierte von Stackelberg. Auch der Marburger Bund bemängelte: „Dieses Verfahren führt nicht zu der dringend notwenigen sachgerechten und angemessenen Verbesserung der Finanzsituation der Kliniken, sondern ersetzt lediglich einen Deckel durch einen anderen. Dieser Deckel kann dann sogar noch willkürlich politisch bestimmt werden.“

SR

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