Politik

Bundesverfassungs­gericht prüft Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe umfassend

  • Mittwoch, 17. April 2019
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes verhandelt über das Sterbehilfeverbot. /dpa
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes verhandelt über das Sterbehilfeverbot. /dpa

Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer zweitägigen Verhandlung intensiv die unterschiedlichsten Aspekte im Zusammenhang mit dem Verbot geschäfts­mä­­­­­­­ßiger Sterbehilfe erörtert. Die Verfassungsrichter befassten sich am heutigen, zweiten Verhand­lungstag nicht nur konkret mit den Folgen des angegriffenen Strafrechtspara­gra­fen 217, sondern auch mit allgemeinen Fragen zum Suizid oder den Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung.

Das Bundesverfassungsgericht muss über Klagen von schwer kranken Menschen, Ärzten und Sterbehilfevereinen gegen den vor mehr als drei Jahren eingeführten Strafrechtspa­ra­grafen entscheiden, der die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe stellt. Es droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Die Kläger halten die Regelung für zu weitgehend.

Das höchste deutsche Gericht beschäftigte sich unter anderem damit, welche konkreten Folgen diese Neuregelung hat. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wann eine Sterbehilfe als geschäftsmäßig einzustufen ist und unter den Strafrechtsparagrafen 217 fällt. Das schloss die Diskussion darüber ein, ob und wann eine Suizidbeihilfe in Deutsch­land möglich ist.

Ärzte bewegten sich durch diesen Paragrafen auf „juristischem unsicheren Terrain“, sagte der klagende Arzt Dietmar Beck. Der Bevollmächtigte eines Schweizer Sterbehilfevereins, Gerhard Strate, gab zu bedenken, dass der Begriff „geschäftsmäßig“ eine „unendliche Weite“ habe. Schon wer die Absicht habe, eine Suizidhilfe zu wiederholen, handle ges­chäftsmäßig.

Abgeordnete verteidigen Gesetzgebung

Der 2015 im Bundestag beschlossene Gesetzentwurf für den umstrittenen Paragrafen be­ruhte auf einer parteiübergreifenden Initiative. Er zielte nach den Worten des maßgeb­lich daran beteiligten CDU-Abgeordneten Michael Brand unter anderem auf Sterbehilfever­eine. Die Abgeordneten hätten erreichen wollen, dass „kein suizidfreundliches Umfeld“ geschaffen werde, verteidigte Brand in Karlsruhe die damalige Initiative.

Die Verfassungsrichter erörterten aber nicht nur konkrete Folgen des angegriffenen Pa­ragrafen, sondern befassten sich unter anderem auch mit der Situation in der Hospiz- und Palliativversorgung. Der Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands, Win­fried Hardinghaus, warb dabei für die bestehenden Möglichkeiten, schwer kranken Men­schen etwa durch Schmerztherapie zu helfen. Die Methoden hätten sich deutlich ver­bessert.

Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende des Hospiz- und Palliativverbands Baden-Württem­berg, Susanne Kränzle. Sie zeigte sich überzeugt, dass keine Lockerung des angegriffenen Strafrechtsparagrafen 217 zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe notwendig sei. Die Alter­native dazu heiße nicht, „sich vor den Zug werfen zu müssen“.

„Der Sterbewunsch des Patienten darf nicht automatisch als Verpflichtung des Arztes zur Suizidassistenz missverstanden werden“, sagte Pedram Emami, Präsident der Ärzte­kam­mer Hamburg, als Sachverständiger beim Bundesverfassungsgericht bei der Anhörung. Der ärztliche Sachverstand dürfe nicht als Argument dazu dienen, dass die Ärzteschaft als ausführendes Organ zur Verfügung stehen müsse.

„Der absoluten Mehrzahl von Menschen mit schweren bzw. unheilbaren Erkrankungen kann bereits heute mit den zur Verfügung stehenden medizinischen Möglichkeiten der Palliativmedizin und rechtlicher Unterstützung zufriedenstellend geholfen werden“, so Emami. Dem Selbstbild der Mehrheit der Ärzteschaft nach begrenze sich der Tätigkeits­bereich auf Erhalt der Gesundheit, des Lebens oder zumindest der Lebensqualität.

Das Bundesverfassungsgericht verhandelte jeweils den ganzen Tag über die Verfassungs­beschwerden. Das höchste deutsche Gericht verhandelt selten so lange, was die Trag­weite und Komplexität der aufgeworfenen Fragen verdeutlicht. Ein Urteil (Az.: 2 BvR 2347/15 und andere) wird erst in einigen Monaten erwartet.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hatte gestern vor falschen Erwartungen an das Verfahren gewarnt. Es gehe „nicht um die moralische oder politische Beurteilung der Selbsttötung und ihrer Folgen für die Gesellschaft, (...) sondern allein um die Reichweite des Freiheits­raums, den das Grundgesetz einer staatlichen Strafdrohung entgegensetzt“, sagte er zum Auftakt der Verhandlung in Karlsruhe.

Bundesärztekammer, Palliativmediziner und Ethiker hatten sich gegen eine Aufweichung des Strafrechtsparagrafen 217 zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe ausgesprochen.

afp/dpa

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