Bundesverfassungsgericht prüft Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe umfassend

Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer zweitägigen Verhandlung intensiv die unterschiedlichsten Aspekte im Zusammenhang mit dem Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe erörtert. Die Verfassungsrichter befassten sich am heutigen, zweiten Verhandlungstag nicht nur konkret mit den Folgen des angegriffenen Strafrechtsparagrafen 217, sondern auch mit allgemeinen Fragen zum Suizid oder den Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung.
Das Bundesverfassungsgericht muss über Klagen von schwer kranken Menschen, Ärzten und Sterbehilfevereinen gegen den vor mehr als drei Jahren eingeführten Strafrechtsparagrafen entscheiden, der die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe stellt. Es droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Die Kläger halten die Regelung für zu weitgehend.
Das höchste deutsche Gericht beschäftigte sich unter anderem damit, welche konkreten Folgen diese Neuregelung hat. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wann eine Sterbehilfe als geschäftsmäßig einzustufen ist und unter den Strafrechtsparagrafen 217 fällt. Das schloss die Diskussion darüber ein, ob und wann eine Suizidbeihilfe in Deutschland möglich ist.
Ärzte bewegten sich durch diesen Paragrafen auf „juristischem unsicheren Terrain“, sagte der klagende Arzt Dietmar Beck. Der Bevollmächtigte eines Schweizer Sterbehilfevereins, Gerhard Strate, gab zu bedenken, dass der Begriff „geschäftsmäßig“ eine „unendliche Weite“ habe. Schon wer die Absicht habe, eine Suizidhilfe zu wiederholen, handle geschäftsmäßig.
Abgeordnete verteidigen Gesetzgebung
Der 2015 im Bundestag beschlossene Gesetzentwurf für den umstrittenen Paragrafen beruhte auf einer parteiübergreifenden Initiative. Er zielte nach den Worten des maßgeblich daran beteiligten CDU-Abgeordneten Michael Brand unter anderem auf Sterbehilfevereine. Die Abgeordneten hätten erreichen wollen, dass „kein suizidfreundliches Umfeld“ geschaffen werde, verteidigte Brand in Karlsruhe die damalige Initiative.
Die Verfassungsrichter erörterten aber nicht nur konkrete Folgen des angegriffenen Paragrafen, sondern befassten sich unter anderem auch mit der Situation in der Hospiz- und Palliativversorgung. Der Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands, Winfried Hardinghaus, warb dabei für die bestehenden Möglichkeiten, schwer kranken Menschen etwa durch Schmerztherapie zu helfen. Die Methoden hätten sich deutlich verbessert.
Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende des Hospiz- und Palliativverbands Baden-Württemberg, Susanne Kränzle. Sie zeigte sich überzeugt, dass keine Lockerung des angegriffenen Strafrechtsparagrafen 217 zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe notwendig sei. Die Alternative dazu heiße nicht, „sich vor den Zug werfen zu müssen“.
„Der Sterbewunsch des Patienten darf nicht automatisch als Verpflichtung des Arztes zur Suizidassistenz missverstanden werden“, sagte Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg, als Sachverständiger beim Bundesverfassungsgericht bei der Anhörung. Der ärztliche Sachverstand dürfe nicht als Argument dazu dienen, dass die Ärzteschaft als ausführendes Organ zur Verfügung stehen müsse.
„Der absoluten Mehrzahl von Menschen mit schweren bzw. unheilbaren Erkrankungen kann bereits heute mit den zur Verfügung stehenden medizinischen Möglichkeiten der Palliativmedizin und rechtlicher Unterstützung zufriedenstellend geholfen werden“, so Emami. Dem Selbstbild der Mehrheit der Ärzteschaft nach begrenze sich der Tätigkeitsbereich auf Erhalt der Gesundheit, des Lebens oder zumindest der Lebensqualität.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelte jeweils den ganzen Tag über die Verfassungsbeschwerden. Das höchste deutsche Gericht verhandelt selten so lange, was die Tragweite und Komplexität der aufgeworfenen Fragen verdeutlicht. Ein Urteil (Az.: 2 BvR 2347/15 und andere) wird erst in einigen Monaten erwartet.
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hatte gestern vor falschen Erwartungen an das Verfahren gewarnt. Es gehe „nicht um die moralische oder politische Beurteilung der Selbsttötung und ihrer Folgen für die Gesellschaft, (...) sondern allein um die Reichweite des Freiheitsraums, den das Grundgesetz einer staatlichen Strafdrohung entgegensetzt“, sagte er zum Auftakt der Verhandlung in Karlsruhe.
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