RNA-Interferenz senkt Cholesterin
Cambridge – Ein neuartiger Cholesterinsenker, der in den Zellen mittels RNA-Interferenz den Abbau von LDL-Rezeptoren stoppt, hat in einer Phase-I-Studie im Lancet (2013; doi: 10.1016/S0140-6736(13)61914-5) eine beachtliche Wirkung erzielt.
LDL-Rezeptoren haben die Aufgabe, Cholesterin in die Zelle zu transportieren. Ein Defekt oder Mangel an LDL-Rezeptoren führt zu einer Hypercholesterinämie. Vor zehn Jahren wurde in der Leber das Enzym PCSK9 (Proprotein convertase subtilisin/kexin type 9) entdeckt, dass LDL-Rezeptoren abbaut. Menschen, die aufgrund eines Gendefekts kein PCSK9 bilden, haben vermehrt LDL-Rezeptoren auf den Zellen. Dies führt zu einer deutlichen Senkung des LDL-Cholesterinspiegels, weshalb PCSK9 schnell zu einem neuen Ansatzpunkt für Cholesterinsenker wurde.
Eine Möglichkeit besteht darin, PCSK9, das von der Leber ins Blut abgegeben wird, dort mittels eines Antikörpers zu binden. Ein entsprechendes Präparat wird derzeit von der Firma Sanofi in einer Phase-III-Studie untersucht. Die Ergebnisse sollen in Kürze vorliegen. Eine andere Möglichkeit ist, die Produktion von PCSK9 durch RNA-Interferenz zu stoppen. Zum Einsatz kommen dabei sogenannte siRNA (small interfering ribonucleic acid), kurze Nukleotide, die sich im Zellkern mit der Messenger-RNA verbinden und dadurch die Produktion des Enzyms PCSK9 in den Ribosomen verhindern.
Die RNA-Interferenz gehört zu den vielverprechenden neuen Wirkprinzipien, auf die sich die Firma Alnylam Pharmaceuticals aus Cambridge in Massachusetts spezialisiert hat. Die Firma beeindruckte die Fachwelt erst kürzlich durch einen Wirkstoff, der die Produktion von Transthyretin in der Leber senkt und damit erstmals eine wirksame Therapie der Transthyretin-Amyloidose verspricht (NEJM 2013; 369: 819-829). In einer anderen Studie wurden Wachstumsfaktoren für Krebserkrankungen erfolgreich blockiert (Cancer Discovery 2013; 3: 406-17). Jetzt legen die Forscher erste klinische Ergebnisse zu einem Wirkstoff vor, der auf dem gleichen Wirkprinzip die Produktion von PCSK9 stoppt.
In der Phase-I-Studie wurden 32 gesunde Probanden mit erhöhten LDL-Cholesterinwerten mit Placebo oder dem neuen Wirkstoff ALN-PCS behandelt. Wie Kevin Fitzgerald von Alnylam und Mitarbeiter berichten, sanken die Plasma-Werte von PCSK9 unter der höchsten Dosis von ALN-PCS um bis zu 84 Prozent, was einen Rückgang des LDL-Cholesterins um 57 Prozent zur Folge hatte. Die Wirkung liegt damit im Bereich von Statinen, die in anderen Studien eine ähnliche Senkung des LDL-Cholesterins erzielten. Da der Wirkungsmechanismus ein anderer ist, könnten sich beide Medikamente ergänzen.
Ein Nachteil von Antikörpern und Medikamenten zur RNA-Interferenz ist, dass sie parenteral appliziert werden müssen. Bei ALN-PCS ist derzeit sogar noch eine Infusion notwendig. Die Verträglichkeit scheint gut zu sein, wobei Phase-I-Studien hier noch nicht sehr aussagekräftig sind. Die Hoffnungen beruhen hier im Wesentlichen auf der Beobachtung, dass Defekte im PCSK9-Gen bei den betroffenen Menschen keine negativen gesundheitlichen Folgen hatten. Die Merkmalsträger waren sogar durch ihr niedriges LDL-Cholesterin vor einer vorzeitigen Atherosklerose geschützt.
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