Chirotherapie: Meta-Analyse sieht begrenzte Wirkung bei Kreuzschmerzen

Los Angeles – Die Chirotherapie, die untere Rückenschmerzen durch gezielte manuelle Eingriffe lindern will, erzielt laut einer Meta-Analyse im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2017; 317: 1451-1460) eine mäßige Wirkung. Sie blieb in den klinischen Studien nicht ohne Nebenwirkungen. Schwere Komplikationen wurden jedoch nicht beschrieben.
Für Rückenschmerzen, unter denen in den reicheren Ländern mit einer überwiegend bewegungsarmen Bevölkerung die Hälfte aller Erwachsenen wenigstens zeitweise leidet, gibt es keine einfache medizinische Lösung, obwohl es an therapeutischen Angeboten nicht mangelt. Doch Analgetika oder Muskelrelaxanzien, Sport und Physiotherapie oder physikalische Therapie wie Wärmeanwendungen erreichen nicht bei allen Patienten eine Schmerzfreiheit. Dies dürfte erklären, warum sich viele Patienten alternativen oder komplementären Therapien zuwenden, unter denen die Chirotherapie sich großer Beliebtheit erfreut.
Ärzte betrachten die Behandlungen ihrer nicht-akademischen Konkurrenten häufig mit Misstrauen, wenn sie nicht gar vor den Gefahren der kräftigen und gelegentlich auch ruckartigen Bewegungen im Rückgrat warnen. Die Wirksamkeit ist in den letzten Jahren in zahlreichen randomisierten Studien untersucht worden, deren Qualität allerdings sehr stark variierte und von denen die wenigsten verblindet waren, was bei einer chiropraktischen Therapie auch schwer möglich ist.
Die Ergebnisse der Studien fielen unterschiedlich aus und auch sechs Meta-Analysen (darunter zwei der Cochrane Collaboration) haben seit 2003 kein einheitliches Bild von den Möglichkeiten der Chirotherapie entwerfen können. Ein Team um Paul Shekelle vom West Los Angeles Veterans Affairs Medical Center hat jetzt einen neuen Versuch unternommen.
Grundlage der Meta-Analye waren die Ergebnisse von 26 randomisierten klinischen Studien, von denen 15 Studien mit 1.711 Patienten die Auswirkungen auf den Schmerz in einer visuellen Analogskala oder einer anderen numerischen Skala untersucht haben. Die Studien, die die Chirotherapie mit anderen Therapien verglichen (oder in zwei Fällen mit einer Scheinbehandlung), kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Die durchschnittliche kurzfristige Schmerzlinderung lag in den einzelnen Studien bei 0 bis 23 Millimeter auf einer Skala, die in der Regel von 0 bis 100 Millimeter reicht. Shekelle ermittelt für alle Studien eine durchschnittliche Schmerzlinderung um 9,95 Millimeter, die bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 4,3 bis 15,6 Millimetern statistisch signifikant war. Der Nutzen der Chirotherapie lag damit im Bereich von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID), die nach einer früheren Cochrane-Analyse die Schmerzen im Durchschnitt um 8,39 Millimeter lindern.
12 Studien (mit 1.381 Patienten) haben die Auswirkungen auf den funktionellen Status untersucht. Auch hier waren die Auswirkungen positiv. Shekelle ermittelt eine Effektstärke von 0,39 (0,07-0,71), was einer Verbesserung im Roland and Morris Disability Questionnaire (RMDQ) um 1 bis 2,5 Punkte entspricht. Der RMDQ bewertet den funktionellen Status mit 0 bis 24 Punkten, eine Verbesserung ab 4 bis 5 Punkten wird als klinisch relevant angesehen. Die Auswirkungen der Chirotherapie auf den funktionellen Status sind deshalb nach den Ergebnissen der Meta-Analyse begrenzt.
Die Aussagekraft der Meta-Analyse ist beschränkt, da sie nicht zwischen den einzelnen Behandlungsmethoden der Chirotherapie unterscheidet, was laut Shekelle ein Grund für die hohe Heterogenität der Ergebnisse gewesen sein könnte. Auch die Aussagen zu den möglichen Risiken und Nebenwirkungen waren eingeschränkt. 18 der 26 Publikationen machten keinerlei Angaben zu den Nebenwirkungen, von den übrigen acht machten drei keine spezifischen Aussagen.
In einer Studie hatten sich einige Patienten darüber beklagt, dass die Behandlung schmerzt, in einer anderen hatten 12,0 Prozent nach der Behandlung über vermehrte Schmerzen, Steifheit, Krämpfe, einschießende Schmerzen oder Müdigkeit geklagt. Shekelle vermutet, dass es in Wirklichkeit häufiger zu Nebenwirkungen kommt. In acht weiteren Studien mit einem breiteten Gebiet von Indikationen (die deshalb nicht Teil der Meta-Analyse waren) ist es laut Shekelle bei 50 bis 60 Prozent der Patienten zu Nebenwirkungen gekommen.
Ernsthafte Komplikationen wurden jedoch in keiner Studie erwähnt, so dass die Chirotherapie von Kreuzschmerzen insgesamt sicher zu sein scheint. Davon ist auch Richard Deyo von der Oregon Health and Science University in Portland überzeugt. Dass die spinale Manipulation beispielsweise ein Cauda equina-Syndrom auslöst, dürfte nur selten vorkommen, schreibt Deyo im Editorial. Der Familienmediziner kann sich die Chirotherapie durchaus als Alternative zur Verordnung von NSAID vorstellen, die‚ ja nicht ohne Nebenwirkungen seien und von vielen Patienten nicht vertragen würden.
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