Medizin

Chirurgen entfernen Herztumore vor der Geburt

  • Dienstag, 25. Oktober 2016

Philadelphia – Chirurgen einer US-Kinderklinik haben zwei Kindern mit intraperi­kardialem Teratom, einem seltenen rasch wachsenden Herztumor, das Leben gerettet. Ein Kind wurde während eines Kaiserschnitts operiert, bei dem anderen Kind wurde der Tumor in einer offenen Operation „in utero“ entfernt, wonach die Schwangerschaft fortgesetzt wurde. Die Chirurgen beschrieben ihre Erfahrungen im American Journal of Obstetrics and Gynecology (2016; doi: 10.1016/j.ajog.2016.08.010).

Intraperikardiale Teratome sind gutartige Mischtumore des Herzbeutels (Perikard) mit Anteilen aller drei Keimblätter, die besonders rasch wachsen. Einige Teratome entwickeln sich bereits in der Fetalperiode. Dank der verbesserten Ultraschalldiagnostik werden sie immer häufiger diagnostiziert. Bisher bestand die Behandlung darin, die Kinder frühzeitig zu entbinden, um den Tumor nach der Geburt operativ zu entfernen. Dies ist jedoch in vielen Fällen aufgrund des raschen Wachstums des Tumors nicht möglich. Die meisten Kinder sterben deshalb vor der Geburt.

Am Kinderkrankenhaus Philadelphia, wo zwischen 2009 und 2015 acht Fälle behandelt wurden, entschlossen sich die Chirurgen in zwei Fällen zu einer Operation. Im ersten Fall war die Mutter bereits in der 31. Woche, sodass eine frühzeitige Entbindung per Kaiserschnitt möglich war. Der Kreislauf des Feten war jedoch bereits instabil. Er hatte einen Hydrops, also eine Flüssigkeitsansammlung in weiten Teilen des Körpers, und einen Aszites entwickelt.

Die Chirurgen entschieden sich deshalb für die sogenannte EXIT-Strategie (für „ex utero intrapartum therapy“). Sie holten bei einem Kaiserschnitt Kopf und Brustkorb des Kindes aus der Gebärmutter. Die Operation wurde durchgeführt, während das Kind noch über die Nabelschnur an den Kreislauf der Plazenta angeschlossen war und noch nicht atmete.

Dies entlastete den Herzmuskel, da der Lungenkreislauf noch nicht aktiv war. Der Tumor wurde nach Eröffnung des Brustbeines des Kindes im Ganzen entfernt. Die Operation war erfolgreich. Das Kind konnte nach 62 Tagen aus der Intensivstation entlassen werden. Es ist heute vier Jahre alt und tumorfrei, wie Jack Rychik, der Leiter des Fetal Heart Program am Children's Hospital of Philadelphia berichtet.

Noch spektakulärer war die Behandlung eines Kindes, dessen Mutter sich in der 22. Gestationswoche befand, als der Tumor entdeckt wurde. Schon eine Woche später hatte das Kind einen Aszites, so dass die Ärzte nicht weiter abwarten wollten. In der 24. Woche eröffneten sie den Bauch und die Gebärmutter der Schwangeren. Die oberen Extremitäten des Feten wurden aus der Gebärmutter befreit. Kopf und Körper blieben im Uterus, während die Chirurgen das Brustbein des Kindes durchtrennten und den Herzbeutel freilegten.

Um zu vermeiden, dass die Entfernung des Tumors einen Kreislaufkollaps des Feten auslöste, wurde dem Feten über eine intravenöse Infusion Flüssigkeit zugeführt. Dennoch kam es während der Entfernung des Tumors zu Störungen der Herzklappen und zu einem Abfall der Herzfrequenz. Das Kind erholte sich jedoch rasch und nach einem erneuten Volumenausgleich konnten die Forscher das Brustbein des Feten wieder verschließen.

Die Arme des Feten wurden wieder in die Gebärmutter zurückgelegt. Die Öffnung der Gebärmutter und danach der Bauch der Mutter wurden verschlossen. Der postoperative Verlauf der Schwangerschaft war laut Rychik ereignislos und das Kind wurde in der 37. Woche per Kaiserschnitt geholt. Es ist heute drei Jahre alt und ohne Tumorrezidiv.

Die anderen sechs Kinder, bei denen die Kinderärzte die weitere Entwicklung abgewartet hatten, verstarben. Die Fetalchirurgie ist für Rychik deshalb bei intraperikardialen Teratomen oft alternativlos.

rme

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