Chlamydien die häufigste sexuell übertragene Erkrankung in Europa

Stockholm – Die häufigsten sexuell übertragenen Erkrankungen in Europa sind nicht die klassischen Geschlechtskrankheiten Syphilis, Gonorrhö oder Lymphogranuloma venereum. Weitaus häufiger sind Infektionen mit Chlamydien. Nach einem Report des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in Stockholm wurden im Jahr 2011 insgesamt 346.911 Neuinfektionen gemeldet.
Die tatsächliche Zahl der Chlamydien-Infektionen dürfte wesentlich höher sein, da die Erkrankung nur in 25 von 30 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) erfasst wird (in Deutschland besteht keine Meldepflicht), und nur in 4 von 21 Ländern (Dänemark, Norwegen, Schweden und Großbritannien) wird ernsthaft versucht, alle Erkrankungen zu erfassen, was wegen des unklaren Verlaufs der Erkrankung nicht einfach ist.
Am zuverlässigsten sind die Zahlen aus Großbritannien, wo es ein Screening der 15- bis 24-Jährigen gibt, der am meisten betroffenen Altersgruppe. Würde man die Inzidenz aus Großbritannien von 341 pro 100.000 Einwohner auf die Gesamtzahl der 510 Millionen der EWR-Zone beziehen, käme man auf mehr als 1,7 Millionen Chlamydien-Infektionen. Die Zahl der (bekannten) Infektionen ist seit 2000 um 130 Prozent gestiegen, wobei die ECDC hier teilweise von einem durch die Screening-Maßnahmen bedingten künstlichen Anstieg ausgeht.
Eine Gonorrhö wurde 2011 in Europa bei 39.179 Patienten gemeldet. Auch hier fehlen Zahlen aus zwei Ländern (Deutschland und Liechtenstein). Die ECDC gibt die Inzidenz mit 12,6 auf 100.000 Einwohner an. Anders als bei den Chlamydien gibt es bei der Gonorrhö eine klare Risikogruppe: Ein Drittel aller Erkrankungen tritt bei Männern auf, die Sex mit Männern (MSM) haben. Hier ist es in den letzten Jahren zu einem deutlichen Anstieg gekommen, der durch die Sorglosigkeit wegen der weniger stark empfundenen Bedrohung durch HIV erklärt werden kann.
Sie dürfte auch einen leichten Anstieg bei der Syphilis erklären, für die MSM mit einem Anteil von 42 Prozent aller Infektionen die wichtigste Risikogruppe ist. Die ECDC gibt die Gesamtinzidenz mit 4,9 pro 100.000 Einwohner an: In 2011 wurden aus 29 Ländern (außer Liechtenstein) 20.004 Erkrankungen gemeldet. Diese Zahl dürfte in etwa der tatsächlichen Zahl entsprechen, da das Meldewesen bei der Syphilis von allen venerischen Infektionen am ernsthaftesten betrieben wird.
Neben Syphilis und Gonorrhö wurden früher das Ulcus molle und das Lymphogranuloma venereum als dritte und vierte Geschlechtskrankheit bezeichnet. Beide sind heute in Vergessenheit geraten. Auf das Ulcus molle geht der Report gar nicht mehr ein. Das Lymphogranuloma venereum ist in den letzten Jahren wieder häufiger geworden.
Der Report kennt 697 Fälle für 2011, die aus sechs Ländern gemeldet wurden. Nach einem Anstieg in 2010 hat es hier 2011 kaum Bewegungen gegeben. In Deutschland ist das Lymphogranuloma venereum nicht meldepflichtig.
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