Cholesterin: Europäische Leitlinie hält an Zielwerten fest

Mailand – Anders als die US-Fachgesellschaften, die heute allen Menschen mit erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko unabhängig von den aktuellen Cholesterinwerten zu einer Statintherapie raten, halten zwei europäische Fachgesellschaften an den Zielwerten fest. Im European Heart Journal (2016; doi: 10.1093/eurheartj/ehw272) stellen die European Society of Cardiology (ESC) und die European Atherosclerosis Society (EAS) ihre aktualisierte Leitlinie zur Dyslipidämie vor.
Nach der US-Leitlinie sollen alle Erwachsenen, die ein statistisches Risiko von mehr als 7,5 Prozent haben, in den nächsten zehn Jahren einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu bekommen, mit Statinen behandelt werden – auch wenn ihr Cholesterinwert niedrig ist. Diese Ende 2013 vorgestellte Leitlinie ist damals in Europa und auch in Deutschland weitgehend auf Ablehnung gestoßen, obwohl die US-Kardiologen ihre Empfehlungen durch randomisierte Studien wie den Jupiter-Trial aus dem Jahr 2008 begründen können.
Die aktualisierten Leitlinien von ESC und EAS tragen dem jetzt insofern Rechnung, als sie an Zielwerten festhalten. Menschen mit einem sehr hohen Risiko auf ein kardiovaskuläres Ereignis sollten ihr LDL-Cholesterin auf einen Wert von 70mg/dl senken –oder wenigstens um 50 Prozent, wenn der Ausgangswert zwischen 70 und 135 mg/dl liegt – fordert ein Team um Alberico Catapano von der Universität Mailand.
Menschen mit einem hohen Risiko wird zu einem Zielwert von 100 mg/dl geraten – oder wenigstens einer Senkung um 50 Prozent, wenn der Ausgangswert zwischen 100 und 200 mg/dl liegt. Der Mehrheit der Menschen mit einem niedrigen oder mäßigen Risiko wird zu einem LDL-Cholesterin von 115 mg/dl geraten.
Die Autoren lehnen es ab, ihre Empfehlungen allein an den Ergebnissen randomisierter klinischer Studien auszurichten, die die US-Empfehlungen stützen. Es müssten auch Erkenntnisse aus Grundlagenwissenschaft, klinischer Beobachtung, Genetik und Epidemiologie betrachtet werden, heißt es in der Leitlinie. Auch die fehlende Akzeptanz, auf die eine generelle Empfehlung in der Bevölkerung stoßen würde, bereitet den Autoren offenbar Kopfzerbrechen.
Die Verwendung von Zielwerten erleichtert die Kommunikation von Arzt und Patient, heißt es an einer Stelle der Leitlinie. Ko-Autor Ian Graham von der Hermitage Medical Clinic in Dublin nennt in der Pressemitteilung ein weiteres Argument: Die generelle Ausgabe von Statinen an die Bevölkerung könnte dazu führen, dass die Patienten sich auf das Medikament verlassen und andere Risikofaktoren wie die Adipositas ignorieren.
Der Verzicht auf das Rauchen, mehr körperliche Bewegung (2,5 bis 5 Stunden in den Woche), ein normaler Body-Mass-Index (20 bis 25 kg/m2) eine schlanke Taille (maximal 94 cm für Männer und unter 80 cm für Frauen) gehört deshalb ebenso wie ein kontrollierter Blutdruck (unter 140/90 mmHg) und ein HbA1c-Wert von unter 7 Prozent zu den Empfehlungen für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bei der Ernährung empfehlen die Autoren eine mediterrane Kost, die den Verzehr von Getreideprodukten, Gemüse, Obst und Fisch unterstreicht, angereichert durch Olivenöl und Nüsse. Zur Begründung wird auf die Ergebnisse der PREDIMED-Studie verwiesen, in der diese Kost die Rate von Herz-Kreislauf-Ereignissen gesenkt hat.
Die medikamentösen Empfehlungen sehen die Statine weiter als Mittel der Wahl, wobei die Kombination mit Ezetimib die LDL-Cholesterinspiegel um weitere 15 bis 20 Prozent senken könnte. Die neu eingeführten PCSK9-Inhibitoren sind ein Reservemedikament. Sie könnten bei Patienten erwogen werden, bei denen die LDL-Cholesterinwerte unter einer Therapie mit Statin plus Ezetimib nicht ausreichend gesenkt werden können.
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