Medizin

Chronische lymphatische Leukämie: Erste Resistenzen gegen Ibrutinib

  • Freitag, 30. Mai 2014

Columbus/Chicago – Kinase-Inhibitoren können die Überlebenszeiten von Krebspa­tienten verlängern, früher oder später kommt es aber zu Resistenzen. Dies trifft auch auf den Wirkstoff Ibrutinib zu. Noch bevor das Medikament überhaupt in Europa zugelassen ist, berichten US-Mediziner im New England Journal of Medicine (NEJM) gleich über mehrere Resistenzmechanismen.

Das oral verfügbare Ibrutinib hemmt die sogenannte Bruton-Tyrosinkinase, die in den Signalweg des B-Zell-Rezeptors eingebunden ist, über den die Zellen von B-Zell-Malignomen wichtige Wachstumsimpulse erhalten. Zu den B-Zell-Tumoren gehören das seltene Mantel-Zell-Lymphom (MZL) und die chronische lymphatische Leukämie (CCL), die häufigste Leukämieform in der westlichen Welt, die vor allem bei älteren Menschen auftritt. Ibrutinib ist in den USA seit dem letzten Jahr (als Imbruvica) beim MZL und seit Februar diesen Jahres auch bei der CLL (nach Versagen einer anderen Therapie) zugelassen.

Die Erwartungen sind hochgesteckt, seit Ibrutinib nach dem Versagen anderer Medika­mente noch bei 58,3 Prozent der Patienten mit CLL ein Ansprechen erzielte. Er war zwar niemals komplett, hielt in der zulassungsrelevanten Studie aber zwischen 5,6 Monate und mehr als 24,2 Monate an. Die Studie hatte allerdings keine Vergleichsgruppe, so dass streng genommen ein günstiger Einfluss auf die Überlebenszeit nicht nachgewiesen ist. In Europa ist Ibrutinib noch nicht zugelassen. Der Hersteller hat jedoch ein beschleu­nigtes Zulassungsverfahren erreicht, so dass es in absehbarer Zeit zur Einführung kommen dürfte.

Ibrutinib wird bereits mit Imatinib verglichen, das bei einer anderen Leukämieform, der chronischen myeloischen Leukämie (CML) gute Erfolge erzielt – bis es zu einer Resistenz kommt. Für Imatinib gibt es in dieser Situation mit Nilotinib, Dasatinib, Bosutinib und Ponatinib bereits Ausweichmöglichkeiten, die vermutlich auch für Ibrutinib benötigt werden. Denn Ibrutinib neigt ebenfalls zur Entwicklung von Resistenzen.

Bei einem von 16 Teilnehmern einer Phase I-Studie, über die Y. Lynn Wang von der Universität Chicago berichtet, war dies nach 20 Monaten Therapie der Fall (NEJM 2014; doi: 10.1056/NEJMc1402716). Mit Hilfe moderner Sequenzierautomaten benötigten Forscher am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York nur wenige Tage, bis sie die verantwortliche Mutation gefunden hatten.

Die Mutation hatte den Wechsel der Aminosäure von Serin zu Cystein an Position 481 der Bruton-Tyrosinkinase zur Folge. Hier befindet sich die Bindungsstelle von Ibrutinib, die durch die Mutation nicht mehr erreichbar ist. Die Mediziner wechselten bei der Patientin auf andere Tyrosinkinase-Inhibitoren, konnten sie jedoch nicht mehr retten.

Die gleiche Mutation entdeckten John Byrd vom Wexner Medical Center in Columbus im US-Staat Ohio und Mitarbeiter bei fünf Patienten, bei denen Ibrutinib nach 388 bis 868 Tagen die Wirkung verlor (NEJM 2014; doi: 10.1056/NEJMoa1400029). Bei einem dieser Patienten lagen noch weitere Mutationen in einem anderen Gen vor, das die Information für das Enzym PLC gamma 2 hat, das unterhalb der Bruton-Tyrosinkinase Teil der Signalkette ist. Ibrutinib hat auf PLC gamma 2 keinen Einfluss.

Byrd vermutet, dass es sich bei der Mutation um eine „Gain-of-Function“-Mutationen handelt, die zu einer spontanen „autonomen“ Aktivierung des Signalwegs führt. Die Leukämiezelle wäre dann nicht mehr abhängig von äußeren Impulsen, und es muss befürchtet werden, dass auch andere Tyrosinkinase-Hemmer sie nicht stoppen könnten. Das Risiko wurde durch einen sechsten Patienten bestätigt, bei dem Ibrutinib die Wirkung verlor, obwohl keine Mutation im Gen der Bruton-Tyrosinkinase vorlag. Hier könnte allein eine Mutation im Gen für PLC gamma 2 die Leukämiezellen am Leben gehalten haben.

rme

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