Chronisches Erschöpfungssyndrom britischer Schulschwänzer
In England bleiben nicht wenige Jugendliche der Schule fern. In drei Sekundarschulen in Bath verpasst jedes sechste Kind mehr als 20 Prozent des Unterrichts - unentschuldigt. Man ist geneigt hier strukturelle Defizite der strengen britischen Schulerziehung zu sehen, die bis vor wenigen Jahren noch die körperliche Züchtigung der Kinder erlaubte.
Nicht so Esther Crawley von der Universität Bristol, die in einem Pilotprojekt die Schulschwänzer nicht den Behörden meldete. Die 11- bis 16-Jährigen mussten sich stattdessen in ihrer Beratungsstelle für myalgische Enzephalopathie (ME) oder chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) vorstellen.
Bei fünf der 315 Schulschwänzer war bereits ein ME/CFS bekannt. Bei weiteren 23 wurde die Diagnose neu gestellt. Damit beträgt die Prävalenz der Erkrankung etwa ein Prozent (28 von insgesamt 2.855 Schulkindern). Was aus Sicht der Autorin nicht übertrieben ist.
Für ihre These spricht, dass sich von 19 Kindern, denen eine Therapie angeboten wurde, 12 innerhalb eines halben Jahres von ihrer Erkrankung erholten. Allerdings fehlt eine Vergleichsgruppe, die die Wirkung anderer Maßnahmen, etwa eine pädagogische Beratung der Eltern oder einen Schulwechsel untersucht hätte. Somit muss offen bleiben, welchen Beitrag die beiden Behandlungsmethoden, eine kognitive Verhaltenstherapie oder eine „Graded Exercise Therapy“ (bei der die körperliche Aktivität stufenweise gesteigert wird), geleistet haben.
Den betroffenen Eltern kann dies egal sein. Jede Maßnahme, die die Kinder wieder für den Unterricht gewinnt, ist für sie wertvoller als eine Bestrafung. Schuleschwänzen wird in England mit empfindlichen Geldstrafen für die Eltern geahndet.
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