CIRS-Gipfel NRW: Fehlerkultur als Führungsaufgabe

Dortmund – „Die Reaktion der Führung auf eine Meldung – sei es in der Praxis, sei es im Spital – ist eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Fehlermeldesystem funktioniert.“ Das betonte Dieter Conen, Präsident der Stiftung Patientensicherheit Schweiz, diese Woche beim CIRS-Gipfel NRW in Dortmund. Das hätten die Vorgänge rund um den Hygieneskandal am Universitätsklinikum Mannheim eindrucksvoll belegt, wo es im Vorfeld im überregionalen Critical Incident Report System (CIRS) wiederholt anonyme Beschwerden über Defizite bei der Sterilisation von OP-Instrumenten gegeben hatte.
Die Kette der Ereignisse in Mannheim sei in negativer Hinsicht beispielhaft gewesen, führte Conen aus: „Die Mitarbeiter melden Probleme – die Klinikleitung reagiert nicht – die Probleme gelangen an die Öffentlichkeit – nach anonymer Anzeige ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Medizinproduktegesetz.“
Die Bereitschaft, über Fehler und kritische Ereignisse in einem CIRS zu berichten, könne insbesondere unter den Ärztinnen und Ärzten nur dann hoch gehalten werden, wenn diese ihr Tun als effektiv wahrnähmen, ergänzte Tanja Manser, Direktorin des Instituts für Patientensicherheit der Universität Bonn: „Mehr noch als die Pflegekräfte wollen die Ärztinnen und Ärzte sehen, dass ihre Meldungen wirkungsvolle Maßnahmen und positive Veränderungen nach sich ziehen.“
Dies sei auch der Charme einrichtungsinterner CIRS. Wegen des direkteren Feedbacks würden konkrete Verbesserungen hier schneller sichtbar, betonte Manser: „Je abstrakter es bleibt, desto schwerer fällt es Menschen, ihr Verhalten zu ändern.“
Conen nannte folgende Charakteristika erfolgreicher Fehlermeldesysteme:
Nicht bestrafend: Berichtende müssten darauf vertrauen können, dass aus einer Meldung keine Strafe resultiere.
Vertraulich: Identitäten dürften Dritten nicht zugänglich sein.
Unabhängig: Das System dürfe nicht von einer Organisation kontrolliert werden, die die Mcht hätte, den Berichtenden zu bestrafen.
Analyse durch Experten: Die Berichte müssten von Personen analysiert werden, die einerseits geübt seien, Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu identifizieren, und zugleich mit der Arbeitsumgebung vertraut seien.
Zeitnah: Empfehlungen und Änderungen sollten möglich rasch in die Wege geleitet werden, insbesondere dann, wenn Fehler mit signifikantem Risiko verbunden seien.
Systemorientiert: Die Analyse solle weniger auf die individuelle Performance als vielmehr auf Systeme und Prozesse fokussiert sein.
Offen und interessiert: Die Leitung sei aufgerufen, Empfehlungen zu verbreiten, wenn immer möglich, um die Motivation der Meldenden hoch zu halten.
CIRS schaffe in einem Risikomanagement die Chance, den Übergang vom Fehler zum Schaden zu vermeiden beziehungsweise seine Auswirkungen zu vermindern, schlussfolgerte der Schweizer Patientenschützer: „CIRS können aber nicht zur Messung der Sicherheit im Sinne von Fehlerraten benutzt werden und somit auch nicht zum Vergleich von Organisationen herangezogen werden.“ Die CIRS-Daten stellten schließlich keine statistische Zufallsstichprobe aus dem Gesamtspektrum der Sicherheitsgefahren dar. So würden schätzungsweise auch nur sieben Prozent aller Fehler, Schäden und sonstiger unerwünschter Ereignisse gemeldet.
Als gemeinsame Kommunikationsplattform der in Nordrhein-Westfalen (NRW) am Versorgungsgeschehen beteiligten Berufsgruppen laden die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe, die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen jährlich zum CIRS-Gipfel NRW. In diesem Jahr fand die Veranstaltung in den Räumen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe statt. Die hohe Zahl der ärztlichen Teilnehmer – rund 300 – belegte die Relevanz des Themas für den ärztlichen Berufsalltag.
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