Cochlea-Implantat: Gentherapie soll Hörempfinden verbessern

Sydney – Die Injektion von DNA-Molekülen in die Hörschnecke und gezielte Stromstöße sind die Bestandteile eines Rezeptes, mit dem Neurowissenschaftler aus Australien den Höreindruck für Träger von Cochlea-Implantaten verbessern wollen. Bei Meerschweinchen scheint ihnen dies – wenigstens vorübergehend – geglückt zu sein, wie ihr Bericht in Science Translational Medicine (2014; 6: 233ra54) zeigt.
Weltweit verdanken mehr als 320.000 Kinder und Erwachsene mit Innenohrschwerhörigkeit einem kleinen Metalldraht in der Cochlea des Innenohrs, dass sie die Außenwelt akustisch wahrnehmen. Auf der Länge des Metalldrahts sind kleine Elektroden platziert, die die benachbarten Fasern des Hörnerven reizen. Die Lage in der Hörschnecke bestimmt dabei die Tonhöhe oder Frequenz. Die Elektroden ersetzen die Impulse, die normalerweise von den Haarzellen ausgehen.
Man schätzt, dass jedes Innenohr 20.000 äußere und 3.500 innere Haarzellen hat, mit denen ein geübtes Ohr die einzelnen Instrumente aus einem Orchester heraushören kann. Ein Cochlea-Implantat hat etwa 20 Elektroden. Dynamik und Tonumfang sind deshalb sehr beschränkt. Technisch lässt sich dies nur begrenzt verbessern. Biologisch könnte es jedoch noch eine Reserve geben, die der Neurowissenschaftler Gary Housley von der University of New South Wales in Sydney besser ausschöpfen möchte.
Die Nervenfasern, die durch die Elektroden des Cochlea-Implantats stimuliert werden sollen, befinden sich im Knochen und bei längerer Innenohrschwerhörigkeit soll es hier zu einer gewissen Rückbildung kommen. Dem möchte Housley durch die Gabe des Wachstumsfaktors BDNF (brain-derived neurotrophic factor) entgegentreten. BDNF lässt neue Nervenfasern sprießen, auch in der knöchernen Schnecke. Doch die Applikation von BDNF in die Cochlea ist auf Dauer nur umständlich zu bewerkstelligen, weshalb Housley diese Aufgabe lieber den Zellen in der Cochlea überlassen möchte.
Eine Möglichkeit hierzu bietet die Gentherapie. Die Forscher haben deshalb verschiedene Möglichkeiten erkundet, um das Gen für den BDNF dauerhaft in der Cochlea zu etablieren. Der übliche Weg ist der Einbau des Gens in ein Virus, das die Zellen befällt und bei der Replikation die Baupläne für das gewünschte Protein in der Zelle hinterlässt.
Die australischen Forscher haben sich für einen anderen Weg entschieden, die Elektroporation. Gezielte Stromstöße machen Zellmembranen für kurze Zeit durchgängig für Makromoleküle wie beispielsweise kleine DNA-Schleifen mit dem Gen für BDNF. Die Methode wird in der Molekularbiologie häufig verwendet, um Zellen genetisch zu manipulieren. Für die Zwecke der australischen Forscher bot sie sich an, da mit der Spule des Cochlea-Implantats schon ein geeigneter „Draht“ vorhanden war, um die notwendigen Stromstöße abzugeben.
Die Forscher haben dies bei Meerschweinchen erprobt, deren Haarzellen sie durch ein Medikament zerstört hatten. Um die Effektivität dokumentieren zu können, versahen sie die Genschleifen nicht nur mit dem Gen für BDNF, sondern sie bauten zusätzlich das Gen für GFP ein („green fluorescent protein). Dieses Protein lässt die Zellen nach einer Lichtbestrahlung grün nachleuchten.
Die Forscher können zeigen, dass das GFP-Gen (und damit höchstwahrscheinlich auch das BDNF-Gen) nach der Gentherapie die Zielzellen erreicht hat. Nach kurzer Zeit sollen sich unter dem Einfluss des Wachstumsproteins BDNF neue Nervenzellen gebildet haben. Elektrophysiologische Untersuchungen lassen vermuten, dass sich die Hörschwelle und der Tonumfang der Meerschweinchen verbessert hat (auch wenn unklar bleibt, ob die Tiere dadurch auch wirklich besser hörten).
Allerdings blieb die Wirkung der Gentherapie zeitlich begrenzt. Bereits nach etwa 6 Wochen ließ die Produktion von BDNF in den Zellen der Cochlea nach und die neuen Nervenzellen bildeten sich wieder zurück. Die australischen Forscher glauben aber, dass sich diese gentechnischen Probleme beheben lassen und dass sie die BDNF-Gene auf Dauer im Innenohr installieren können. Wenn alles gut geht, könnte bereits in den nächsten zwei Jahren mit klinischen Studien begonnen werden.
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