Corona: Bundeskabinett beschließt Aufholprogramm und Ganztagsanspruch

Berlin – Mit zwei Milliarden Euro will die Bundesregierung die Folgen der Coronamaßnahmen für Kinder und Jugendliche abmildern. Das Bundeskabinett brachte heute ein „Aktionsprogramm Aufholen“ auf den Weg.
Eine Milliarde Euro ist für Nachhilfe- und Förderprogramme für Schüler gedacht, die Lernrückstände aufholen müssen. Eine weitere Milliarde Euro soll in soziale Maßnahmen investiert werden, um auch die psychischen Krisenfolgen für Kinder und Jugendliche abzufedern. Hier geht es um eine Aufstockung von bestehenden Programmen im Bereich frühkindlicher Bildung, in der Schulsozialarbeit und im Freizeitbereich.
Geplant ist auch eine Einmalzahlung von 100 Euro für Kinder aus Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind oder nur ein sehr geringes Einkommen haben. Das Geld soll je nach Bedarf für Ferien-, Sport- und Freizeitaktivitäten eingesetzt werden können. Eine Auszahlung könnte nach dpa-Informationen im August erfolgen.
Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerks sind die Pläne völlig unzureichend. „Natürlich hört sich ein Zwei-Milliarden-Programm erst einmal gut an, aber im Endeffekt werden damit weniger als 150 Euro pro Kind in die Hand genommen. Das wird bei Weitem nicht ausreichen, um auch nur annähernd die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen zur Bewältigung der Coronapandemie zu decken“, sagte Präsident Thomas Krüger im Vorfeld der Sitzung des Bundeskabinetts heute in Berlin.
Die Befunde der Studien über die Auswirkungen der Pandemie auf die physische und psychische Verfassung der Kinder seien gravierend. Krüger kritisierte die Planung, die Hälfte des Geldes unter Einbeziehung kommerzieller Nachhilfeeinrichtungen für die Kompensation der Versäumnisse der Schulen einzusetzen. „Denn von entscheidender Bedeutung sind langfristige und nachhaltige Investitionen in bereits bestehende Strukturen, die Krisenfestigkeit und die Digitalisierung von Schulen“, betonte er.
Zudem brauche es jetzt außerschulische Angebote, die soziale Interaktion ermöglichten, Bewegungs- und Ernährungsangebote schafften sowie eine Ansprechfunktion in schwierigen familiären Situationen böten.
„Die vielerorts dramatischen Berichte aus Kinder- und Jugendarztpraxen, aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder aus Kinderhäusern zeigen ganz deutlich, dass sowohl Ängste, Vereinsamung, Unsicherheiten und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen als auch innerfamiliäre Konflikte deutlich zugenommen haben“, sagte der Kinderhilfswerk-Präsident.
Krüger forderte einen „Coronakindergipfel“ mit den wesentlichen Akteuren der Kinder- und Jugendhilfe und den Kindern und Jugendlichen selbst. Bei allen Maßnahmen, die jetzt auf den Weg gebracht werden, muss aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes klar sein, dass Kinder und Jugendliche als „ganze Menschen“ betrachtet und nicht auf ihr Dasein als Schüler reduziert werden dürfen.
„Fördermaßnahmen mit der Gießkanne sind hier der falsche Weg. Niedrigschwellige Beratung-, Hilfs und Unterstützungsangebote für junge Menschen in persönlichen Problemlagen müssen ausgebaut werden“, so Krüger.
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