Coronaerklärer Fauci geht in den Ruhestand

Washington – Seinen Ruhestand hat sich Anthony Fauci redlich verdient, aber zur Ruhe kommen wird er vermutlich nicht. Zum Jahresende geht der oberste Coronaberater von US-Präsident Joe Biden in Rente, nach 38 Jahren an der Spitze des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID).
Der renommierte Immunologe ist in der Pandemie für die einen zum Helden und für die anderen zur Hassfigur geworden – und zur politischen Zielscheibe der Republikaner von Ex-Präsident Donald Trump. Fauci hat in seiner langen Forscherkarriere sieben Präsidenten gedient, vom Republikaner Ronald Reagan bis zum Demokraten Biden. Doch mit keinem war der Umgang so schwierig wie mit dem Rechtspopulisten Trump. Als das Coronavirus sich in den USA rasant ausbreitete, warnte Fauci, der sich schon im Kampf gegen Aids und Ebola Verdienste erworben hatte, vor der großen Gefahr für die Bevölkerung. Trump aber redete die Lage schön – auch als die Zahl der Toten immer weiter stieg.
Der Kontrast zwischen den beiden Männer hätte kaum größer sein können. Der stets ruhige und sachliche Fauci erwarb sich mit seiner großen Expertise und seinen ungeschminkten Einschätzungen zur Pandemie große Anerkennung und bei vielen sogar Kultstatus. Trump dagegen sorgte immer wieder mit wirren Äußerungen für Kopfschütteln – so etwa, als er im April 2020 anregte, Coronapatienten mit der Injektion von Desinfektionsmitteln zu behandeln.
Fauci versuchte Trump vorsichtig zu korrigieren, ohne den jähzornigen Präsidenten zu brüskieren – ein medizinisch-diplomatischer Balanceakt, der dem Virenexperten mit der rauen Stimme und dem Akzent des New Yorker Stadtteils Brooklyn viel abverlangte. Fauci zog sich trotz seiner Zurückhaltung den Zorn von Trump und anderen Republikanern zu. Die Erleichterung war ihm anzusehen, als Anfang 2021 mit Biden ein Präsident mit dem Versprechen ins Weiße Haus einzog, im Kampf gegen die Pandemie stets auf die Wissenschaft zu hören.
Doch die Anfeindungen gegen Fauci aus dem rechten Lager ließen nie nach. Gegner machen den Präsidentenberater für all jene Anti-Corona-Maßnahmen verantwortlich, die sie als tyrannische Eingriffe in ihre Freiheitsrechte auslegen – Lockdowns, Maskenpflicht, Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen.
Fauci steht schon seit geraumer Zeit unter Polizeischutz. Zuletzt sorgte Twitter-Chef Elon Musk mit Attacken gegen den Forscher für Empörung. Solche Angriffe und der politisch aufgeladene Streit über Themen wie Impfstoffe sind nicht spurlos an Fauci vorbeigezogen. „Wenn ich sehe, wie Menschen (...) sich nicht impfen lassen wegen Gründen, die nichts mit der öffentlichen Gesundheit zu tun haben, sondern mit Spaltung und ideologischen Differenzen, dann schmerzt mich das als Arzt“, sagte ein frustrierter Fauci, als er im November seine letzte Pressekonferenz im Weißen Haus gab.
Der 2008 mit der Freiheitsmedaille des US-Präsidenten ausgezeichnete Virenexperte will auch im Ruhestand aktiv bleiben, er plant Vorlesungen zu halten und womöglich Memoiren zu schreiben. Seinem Nachfolger an der Spitze des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten empfahl er kürzlich in einem Interview, sich strikt an die Wissenschaft zu halten – und sich aus der Politik herauszuhalten.
Fauci selbst wird sich davor in Acht nehmen müssen, nicht im politischen Räderwerk zermalmt zu werden. Die Republikaner haben angekündigt, ihn im neuen Jahr zu Anhörungen vor den Kongress vorladen zu wollen, dort dürften ihm aggressive Kreuzverhöre zu den Ursprüngen der Pandemie und der Coronapolitik der Biden-Regierung bevorstehen.
Fauci gibt sich unerschrocken: „Ich habe in den vergangenen rund 40 Jahren mehrere hunderte Male vor dem Kongress ausgesagt“, sagte er im November. „Ich habe keine Probleme damit, auszusagen.“
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