Coronatestangebote könnten für Betriebe zur Pflicht werden

Berlin – Unternehmen sollen ihren Beschäftigten offenbar Coronatests anbieten müssen, wenn diese nicht im Homeoffice arbeiten. In der Bundesregierung wird dazu eine Paketlösung angestrebt. Die entsprechende Änderung der Arbeitsschutzverordnung soll dabei gemeinsam mit der geplanten Novelle des Infektionsschutzgesetzes für eine bundesweite Coronanotbremse kommen. Die Arbeitgeber sollen die Tests zur Verfügung stellen. Sie müssen aber voraussichtlich nicht dokumentieren, dass ihre Mitarbeiter die Tests auch in Anspruch nehmen.
Der Spiegel berichtete, dass das Bundeswirtschaftsministerium Peter Altmaier (CDU) seinen Widerstand gegen eine Testangebotspflicht trotz Widerstands der Wirtschaft aufgegeben habe. Wer viel Kundenkontakt habe oder mit Lebensmitteln arbeite, solle Anspruch auf zwei Tests haben, so der Spiegel.
Erst gestern hatten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Vizekanzler Olaf Scholz (beide SPD) angekündigt, noch in dieser Woche eine Coronatestpflicht für Unternehmen durchsetzen zu wollen. „Ich will, dass wir das am Dienstag in der Bundesregierung beschließen“, sagte Heil der Bild am Sonntag – der Koalitionspartner Union ist bislang allerdings dagegen.
Heil argumentierte: „Alle müssen jetzt ihren Beitrag im Kampf gegen Corona leisten, auch die Arbeitswelt. Um die zu schützen, die nicht von zu Hause arbeiten können, brauchen wir flächendeckend Tests in den Betrieben.“ Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Umfrage unter Beschäftigten hatte ergeben, dass aktuell 61 Prozent einen Arbeitgeber haben, der Coronatests anbietet.
„Das ist deutlich zu wenig, unsere Vereinbarung zielte auf eine Testquote von 90 Prozent“, sagte Scholz der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FASZ). Deshalb sei die Zeit der Appelle vorüber. „Wir müssen die Unternehmen verbindlich dazu verpflichten, ihren Beschäftigten ein Testangebot zu machen“, forderte der Finanzminister. Mehr Homeoffice, medizinische Masken und umfangreiches Testen – „das könnte man auch als nationale Pflicht begreifen“, sagte Scholz: „Es gibt Dinge, die man einfach tut, weil es sich gehört.“
Heils Pläne sehen nach Informationen der Bild am Sonntag vor, dass alle Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice sind, das Recht auf einen Coronatest pro Woche bekommen. Wer viel Kundenkontakt habe oder mit Lebensmitteln arbeite, solle Anspruch auf zwei Tests haben. Es reiche aus, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Selbsttests zur Verfügung stelle. Die SPD-Fraktionsspitze forderte generell zwei wöchentliche Tests – auch unabhängig von der Infektionslage.
Die Union und auch die Arbeitgeber hatten eine Testpflicht bislang abgelehnt. Altmaier (CDU) betonte bis zuletzt, er setze auf Freiwilligkeit der Unternehmen, die zugesagt hätten, ihr Testangebot auszubauen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte: „Es ist im Interesse der Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter gesund sind, gesund bleiben und sich nicht gegenseitig mit dem Virus infizieren.“ Glaubwürdig werde Heil mit seiner Forderung aber erst, wenn die öffentliche Hand selbst erfülle, was sie von den Unternehmen erwarte. „Schulen und andere öffentliche Einrichtungen haben damit noch zu kämpfen“, betonte sie.
Der BDA betonte, die Wirtschaft halte sich an die Vereinbarungen mit der Bundesregierung. „Der mit der Bundesregierung verabredete Testappell sah zwar keine Zielquote vor, aber die deutsche Wirtschaft steht selbstverständlich zu ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung“, sagte eine Sprecherin. „Keine Partei sollte mit der Pandemie Wahlkampf machen. Das gehört sich nicht.“
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, kritisierte die Pläne für eine Testpflicht als „Verzweiflungstat“, um von eigenen Versäumnissen abzulenken: „Glaubwürdiger wären die Planungen, wenn die Politik mit gutem Beispiel voranginge“, sagte Wolf. Fast fünf Millionen Menschen arbeiteten im öffentlichen Dienst.
„Wie viele von ihnen werden bereits regelmäßig pro Woche getestet? Wenn die öffentliche Hand diese Erfahrung gemacht hat, können wir noch mal miteinander reden.“ Die Autoindustrie fordert mehr Tempo bei Impfungen ihrer Beschäftigten. Die Präsidentin des Branchenverbandes VDA, Hildegard Müller, sagte Bild am Sonntag, Betriebsärzte seien gut organisiert und vorbereitet und sollten rasch Impfstoff bekommen.
Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Klaus-Dieter Hommel, sprach sich dafür aus, alle Arbeitgeber gesetzlich zu verpflichten, Beschäftigten mindestens zweimal in der Woche kostenlose Tests zu ermöglichen. Die Freiwilligkeit von Tests müsse unverändert gewährleistet bleiben, eine Dokumentation über die Teilnahme oder Ergebnisse dürfe nicht erfolgen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: