COVID-19: Adipositas-Operation schützt vor schweren Verläufen

Cleveland – Adipöse Patienten, die sich in den Jahren vor der Pandemie einer bariatrischen Operation zur Gewichtsreduktion unterzogen hatten, mussten während der Pandemie deutlich seltener wegen COVID-19 im Krankenhaus und dort auf einer Intensivstation behandelt werden als eine Vergleichsgruppe von Adipösen, die ihr Gewicht nicht reduziert hatten. Die Ergebnisse der Kohortenstudie wurden in JAMA Surgery (2021: DOI: 10.1001/jamasurg.2021.6496) veröffentlicht.
Eine Adipositas gehört zu den früh erkannten, aber häufig unterschätzten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Eine Adipositas geht zwar mit einer systemischen Entzündung und Störung von Immunsystem und Blutgerinnung einher, die allerdings im normalen Laborbefund selten dokumentiert werden.
Viele Mediziner vermuten deshalb, dass die Adipositas den Patienten nicht schadet, solange sich keine Folgekrankheiten wie Typ-2-Diabetes oder andere Komponenten eines metabolischen Syndroms eingestellt haben. Auch den betroffenen Patienten fehlt in der Regel ein Problembewusstsein.
Dabei konnte in Studien gezeigt werden, dass das Risiko auf einen schweren Verlauf an COVID-19 auch unabhängig von Begleiterkrankungen ansteigt. Carmen Piernas von der University of Oxford und Mitarbeiter kamen in einer Analyse von 6,9 Millionen elektronischen Krankenakten zu dem Ergebnis, dass das Risiko einer Krankenhauseinweisung ab einem BMI von 23 kg/m2 mit jedem Punkt auf der BMI-Skala um 5 % ansteigt.
Die Notwendigkeit einer Intensivbehandlung nahm sogar um 10 % pro BMI-Punkt zu. Am deutlichsten war der Anstieg mit 9 % beziehungsweise 13 % in der Gruppe der unter 40-Jährigen, bei denen sich die Folgekrankheiten der Adipositas oft noch nicht eingestellt haben (Lancet Diabetes Endocrinology 2021; DOI: 10.1016/S2213-8587(21)00089-9).
Dieser Zusammenhang lässt erwarten, dass eine Gewichtsreduktion adipöse Menschen vor einem schweren Verlauf von COVID-19 bewahren kann. Genau dies zeigt jetzt eine Gegenüberstellung von 5.053 Patienten, die sich an der Cleveland Clinic zwischen 2004 und 2017 wegen eines BMI von über 35 einer bariatrischen Operation unterzogen hatten, mit einer dreimal größeren Kontrollgruppe von adipösen Menschen, die nicht operiert wurden. Die operierten Patienten hatten nach Anlage eines Roux-en-Y-Magenbypass oder eines Schlauchmagens („Sleeve Gastrektomie“) im Durchschnitt 20 % ihres Körpergewichts verloren gegenüber nur 2,3 % in der Kontrollgruppe.
Während der Pandemie wurden beide Gruppen gleich häufig positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Die operierten Patienten mussten jedoch zu 49 % seltener wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden. Das Team um Steven Nissen von der Cleveland Clinic ermittelt eine Hazard Ratio von 0,51, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,35 bis 0,76 signifikant war.
Die operierten Patienten mussten im Krankenhaus zu 63 % seltener mit Sauerstoff behandelt werden (Hazard Ratio 0,37; 0,23 bis 0,61), und es kam zu 60 % (Hazard Ratio 0,47; 0,18 bis 0,86) seltener zu einem schweren Verlauf (definiert als Aufnahme auf einer Intensivstation, Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder Tod).
Auch ohne SARS-CoV-2 war das Sterberisiko der adipösen Patienten erhöht. Das kumulative 10-Jahres-Sterberisiko betrug 9,4 % (bei einem Durchschnittsalter von 46 Jahren) gegenüber 4,7 % nach einer bariatrischen Operation. Die adjustierte Hazard Ratio betrug 0,47 und war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,38 bis 0,57 signifikant. Auch ohne COVID-19 hatten die Adipositaspatienten ihre Lebenserwartung durch die Operation erhöht.
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