Medizin

COVID-19: Antigentest zeigt Ende der Infektiosität besser an

  • Montag, 22. August 2022
/chandlervid85, stock.adobe.com
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London – Weniger als 1/4 der COVID-19-Patienten scheidet bei Symptombeginn bereits so viele Viren aus, dass sie andere Menschen anstecken könnten. Nach einer Selbstisolierung von 5 Tagen waren dagegen noch bei 2/3 der Patienten infektiöse Viren im Abstrich enthalten. Dies kam in einer prospektiven Studie in Lancet Respiratory Medicine (2022; DOI: 10.1016/S2213-2600(22)00226-0) heraus, in der neben den üblichen Anti­gen- und PCR-Tests auch die Infektiosität in Zellkulturen geprüft wurde.

Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) weist bestimmte Genabschnitte von SARS-CoV-2 nach. Ob sie von einem intakten Virus stammen oder nur Relikte einer bereits überwundenen Infektion sind, lässt sich nicht unter­scheiden. Hierzu sind Laborexperimente an Zellkulturen notwendig. Dort wird untersucht, ob mit den Proben vom Patienten lebende Zellkulturen abgetötet werden können. Diese Tests sind aufwändig und werden des­halb nicht routinemäßig durchgeführt.

In der ATACCC-Studie („Assessment of Transmission and Contagiousness of COVID-19 in Contacts“) wurde dagegen neben Antigen- und PCR-Test auch die Infektiosität geprüft. Der 1. Teil der Studie fand zwischen dem 13. September 2020 und dem 31. März 2021 teil, also in der Prä-Alpha- und Alpha-Phase. ATACCC2 fand zwischen dem 24. Mai und dem 28. Oktober statt, als die Delta-Variante das Infektionsgeschehen beherrschte.

An der Studie nahmen 736 Personen teil, die Kontakt zu einem Infizierten hatten. Sie wurden gebeten bei sich täglich einen Abstrich aus Nase oder Rachen durchzuführen und einzuschicken. An den Abstrichen wurde ein Antigentest („Lateral Flow“) und ein PCR-Test durchgeführt. Wenn der PCR-Test positiv war, wurden Zell­kultu­ren mit dem Abstrich infiziert. Maß der Infektiosität war die Zahl der „plaque forming units“ (PFU).

Wie Seran Hakki vom Imperial College London und Mitarbeiter berichten, kam es bei 57 Kontakten zu einer Infektion, von denen 25 (alle aus der Delta-Phase) geimpft waren. Der Höhepunkt der RNA-Last und der PFU-Gipfel wurde bei den meisten Patienten am selben Tag erreicht. Dies war etwa 3 Tage nach Einsetzen der Symptome der Fall, beim PCR-Wert zu 50 % zwischen dem 3. bis 5. Tag, beim Kulturnachweis zu 50 % zwi­schen dem 3. bis 6. Tag.

Zu diesem Zeitpunkt lag der 1. positive PCR-Test 3,6 Tage zurück (95-%-Konfidenzintervall 0,5-11 Tage). Die Virusreplikation setzte also früher ein als die Symptome. Konkret bedeutet dies, dass der PCR-Test bei 63 % der Patienten bei Symptombeginn positiv war.

Die Infektiosität begann später, vermutlich weil sie die Produktion einer größeren Virusmenge voraussetzt. Der kulturelle Nachweis der Infektiosität gelang zu Symptombeginn nur bei 20 % der Patienten.

Von der ersten positiven Zellkultur bis zum Höhepunkt der Infektiosität vergingen 1,6 Tage (0,3-4,9 Tage). Dies bedeutet, dass die Gefahr, dass Infizierte andere Menschen anstecken können, bevor sie die Erkrankung an sich bemerken, geringer ist als bisher angenommen.

Der Antigentest, der in der Praxis als erstes durchgeführt wird, erwies sich in der Frühphase als unsicherer Marker für die Infektiosität. Die Sensitivität betrug nur 67 % (59-75 %). Ein negativer Antigentest schließt zu Beginn der Erkrankung nicht aus, dass eine Infektion vorliegt und andere Menschen angesteckt werden können. Einem negativen Antigentest sollte man besser nicht vertrauen, wenn man Symptome habe, meint Hakki. Entwarnung bestehe für symptomatische Patienten erst, wenn auch das Ergebnis im PCR-Test negativ ausfällt.

Nach dem Höhepunkt der Erkrankung am 3. Tag blieb der PCR-Test noch über 11 Tage (2,7-29 Tage) positiv. Die Zellkulturen waren dagegen schon nach 2,7 Tagen (0,5-7,2 Tage) negativ. Ein positiver PCR-Test ist deshalb in der 2. Phase der Erkrankung ein ungenauer Marker für die Infektiosität. Der Antigentest könnte hier zuverlässiger sein. Die Sensitivität betrug laut Hakki 92 % (86-96 %).

Die Dauer der Infektiosität, also der Phase, in der infektiöse Viren freigesetzt werden, gibt Hakki mit 5 Tagen an. Allerdings schieden 2/3 zu diesem Zeitpunkt noch infektiöse Viren aus, wenn auch in einer geringen Menge. Nach 7 Tagen war ein Viertel der Patienten noch potenziell ansteckend.

In England gilt derzeit wie in den meisten anderen Ländern eine Selbstisolierung von 5 Tagen. Hakki schlägt vor, am Ende der Selbstisolierung mit täglichen Antigentests zu beginnen und die Selbstisolierung erst zu beenden, wenn die Antigentests negativ sind. Ein negativer PCR-Test ist nach Ansicht der Forscherin nicht erforderlich.

rme

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