COVID-19-Impfung könnte auch einen gewissen Schutz vor Erkältungen bieten

Ulm - COVID-19-Impfungen könnten einen positiven Nebeneffekt haben: In einer kleinen Studie verbesserten sie auch die Immunität gegenüber weit verbreiteten Erkältungscoronaviren. Dadurch könnten Häufigkeit, Dauer und Schwere von Atemwegsinfekten reduziert werden, wie Ulmer Forschende in Clinical Infectious Diseases berichten (DOI: 10.1093/cid/ciac057).
Der pandemische Erreger SARS-CoV-2 ist nicht das einzige Coronavirus, dass Menschen infizieren kann. Zu den humanpathogenen Coronaviren gehören auch relativ harmlose und weit verbreitete Erkältungsviren, ebenso wie gefährlichere Erreger wie SARS-CoV-1 und MERS.
„Die unterschiedlichen Coronaviren ähneln sich im Aufbau des Spikeproteins, das an menschliche Zellen bindet und somit deren Infektion ermöglicht. Alle COVID-Impfungen nutzen dieses Protein von SARS-CoV-2 zur Immunisierung“, erklärt Seniorautor Frank Kirchhoff, Direktor des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm.
Neutralisationstests vor und nach heterologer Impfung
Die Ulmer Arbeitsgruppe um die beiden Erstautoren Jan Lawrenz und Qinya Xie untersuchte die Blutseren von 24 Probanden vor und nach einer heterologen Impfung mit den COVID-19-Vakzinen ChAdOx1-nCoV-19 (Astrazeneca) und BNT162b2 (Biontech/Pfizer). Ob die Coronaviren sich in den Blutseren vermehren konnten oder neutralisiert wurden, ermittelten sie anhand der Produktion von Virus-RNA und der Expression von viralem Nukleokapsid.
Die Neutralisationstests zeigten, dass die Probanden schon vor der Impfung eine starke Immunität gegen das saisonale Erkältungscoronavirus hCoV-OC43 aufwiesen. Auch gegen hCoV-NL63 war eine neutralisierende Aktivität nachweisbar, die aber variabler ausfiel. Gegen hCoV-229E zeigten alle Seren nur eine bescheidene inhibitorische Aktivität.
Nach der COVID-19-Kreuzimpfung stieg die neutralisierende Wirkung der Antikörper gegen die Erkältungscoronaviren um das 1,5- bis 4-fache an.
Hemmung auch von SARS-CoV-1, aber nicht von MERS
Weitere Neutralisationstests mit nicht vermehrungsfähigen Viruspartikeln ergaben, dass die durch die COVID-19-Impfung gebildeten Antikörper auch das eng verwandte, hochaggressive Virus SARS-CoV-1 hemmten. Auf MERS-Coronaviren hatte die Impfung dagegen keinen Effekt.
„Unsere Studie zeigt, dass die COVID-Impfung die neutralisierende Aktivität der Seren gegen saisonale Coronaviren verstärkt“, folgern Lawrenz und Xie. Offen sei aber die Frage, ob die Antikörper gegen das Spikeprotein von SARS-CoV-2 mit den anderen Coronaviren kreuzreagieren oder ob die Impfung bereits vorhandene B-Zellen gegen Erkältungsviren reaktiviert. Die vorläufigen Daten deuteten darauf hin, dass es eher die Reaktivierung vorhandener B-Zellen ist.
Erkältungen werden nicht verhindert, aber ausgebremst
Letztlich glauben die Forschenden aber nicht, dass COVID-19-Impfungen saisonale Erkältungen verhindern können. Dafür sei die erworbene Immunität wahrscheinlich zu schwach und kurzfristig. Allerdings könnte die COVID-19-Impfung Häufigkeit, Dauer und Schwere solcher Atemwegsinfektionen günstig beeinflussen.
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