COVID-19: Plasmatherapie senkt Sterblichkeit nur in der Frühphase der Erkrankung

Houston – Die Infusion des Blutplasmas von Menschen, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 überstanden haben, hat sich in den USA rasch zu einer weit verbreiteten Behandlung von COVID-19 entwickelt. Die Wirksamkeit ist jedoch keineswegs erwiesen. Die Erfahrungen eines größeren Zentrums im American Journal of Pathology (2020; DOI: 10.1016/j.ajpath.2020.08.001) deuten darauf hin, dass die Behandlung nur in der Frühphase der Erkrankung erfolgreich ist.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Anfang April die Behandlung von COVID-19-Patienten mit dem Plasma von Rekonvaleszenten erlaubt. In den ersten beiden Monaten wurden bereits 20.000 Patienten behandelt. Die 7-Tages-Sterblichkeit lag einer Mitteilung in den Mayo Clinic Proceedings bei 8,6 %. Dies allein beweist jedoch noch nicht, dass die Plasmatherapie wirksam ist.
Schließlich überleben die meisten Patienten eine SARS-CoV-2-Infektion auch ohne Plasmatherapie – dank der eigenen Antikörper, deren Produktion bei den meisten Patienten innerhalb der ersten 10 Tage nach Symptombeginn einsetzt. Eine randomisierte Studie zur Plasmatherapie wurde in den Niederlanden vorzeitig abgebrochen, nachdem entdeckt wurde, dass 79 % der Patienten bereits gleich hohe Titer hatten wie die Spender (medRxiv 2020; DOI: 10.1101/2020.07.01.20139857).
Die Bereitschaft der Zentren, die die Plasmatherapie anbieten, sich an randomisierten Studien zu beteiligen, scheint insgesamt gering zu sein. Deshalb gibt es bisher kaum belastbare Daten. In einer der wenigen größeren randomisierten Studien aus Wuhan kam es nach der Plasmatherapie bei 27 von 52 Patienten (51,9 %) zu einer klinischen Verbesserung (um mindestens 2 Punkte auf einer 6 Punkte-Skala) gegenüber 22 von 51 Patienten (43,1 %) in der Kontrollgruppe (JAMA 2020; 324: 460-470).
Das Houston Methodist Hospital, eine Klinik mit 2.500 Betten, war in den USA das erste Krankenhaus, das in den USA die Plasmatherapie durchgeführt hat. Bereits Ende März, noch vor dem Beginn des FDA-Programms, erhielten dort die ersten Patienten das Plasma von Rekonvaleszenten. Bis zum 6. Juli wurden 316 Patienten behandelt. Die Klinik hat sich nicht an einer randomisierten Studie beteiligt.
Stattdessen vergleicht das Team um James Musser die Ergebnisse jetzt in einer Propensity-Score-Analyse mit COVID-19-Patienten, die keine Plasmatherapie erhalten haben. Die Propensity-Score-Analyse stellt jeweils Patienten mit gleichen Eigenschaften gegenüber, was die Bedingungen einer randomisierten Studie simulieren soll (Dies gelingt aber nur unvollständig, da niemals alle Patienteneigenschaften bekannt sind).
Wegen der stark divergierenden Patienteneigenschaften musste die Analyse auf 136 Patienten beschränkt werden, denen 251 Kontrollen gegenübergestellt wurden. Dabei zeigte sich, dass die Plasmatherapie dann am erfolgreichsten ist, wenn sie möglichst frühzeitig durchgeführt wird. Ein weiteres Kriterium ist ein ausreichender Antikörper-Titer im Spenderplasma.
Die Analyse ergab, dass Patienten, die innerhalb von 72 Stunden nach der Aufnahme in der Klinik behandelt wurden, eine mehr als 3-fach erhöhte Chance hatten, die Erkrankung zu überleben. Musser ermittelte ein relatives Risiko von 3,33, das (allerdings mit einem weiten 95-%-Konfidenzintervall von 1,01 bis 10,98) signifikant war.
Wenn das Spenderplasma einen Antikörper-Titer von 1:1.350 oder mehr hatte, erhöhte sich das relative Risiko, sprich die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten, auf 7,53 (1,12 bis 50,46). Bei den Patienten, die ihre Infusion später erhielten, war kein Vorteil erkennbar. Musser rät deshalb, die Plasmatherapie so früh wie möglich durchzuführen.
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