Kritik an Krankenhausreform: Ärzteverband droht mit Systemausstieg

Berlin – Der Referentenentwurf für das sogenannte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) erregt bundesweit die Gemüter. Der fachübergreifenden Ärzteverbände Medi Geno Deutschland, Medi Baden-Württemberg, der Virchowbund und auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bemängelten heute die Pläne vor allem für sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen.
Nach dem aktuellen Referentenentwurf zum KHVVG erhalten die Länder gesetzlich die Möglichkeit sogenannte sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen zu bestimmen. Diese hießen im ersten Entwurf noch „Level 1i-Kliniken“.
Deren Leistungsspektrum soll neben stationären auch erweiterte ambulante sowie medizinisch-pflegerische Leistungen umfassen. Das Gesetz räumt ihnen auch die Möglichkeit ein, Leistungen der hausärztlichen Versorgung zu erbringen.
„Das Gesetz ist in der aktuellen Version ein Generalangriff auf den Sicherstellungsauftrag durch die Hintertür“, sagte Norbert Smetak, Vorsitzender von Medi Baden-Württemberg und Medi Geno Deutschland.
Er kündigte an, das sogenannte „Korbmodell“ in Erwägung zu ziehen. Bei diesem Modell geht es um einen gemeinschaftlichen Systemausstieg der Niedergelassenen durch Rückgabe ihrer Zulassungen.
Smetak betonte, es gebe jede Woche eine neue Hiobsbotschaft für die niedergelassene Ärzteschaft. „Die Politik zwingt uns, neben den Protesten, auch über Maßnahmen wie das Korbmodell konkret nachzudenken. Bei Medi laufen aktuell erste Planungen“, ergänzte Bernhard Schuknecht, stellvertretender Vorsitzender von Medi Baden-Württemberg.
Kritik kam auch vom Virchowbund. Die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen als allgemeinmedizinische Institutsambulanzen hätten „bereits einen gravierenden Geburtsfehler“, monierte auch der stellvertretende Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Veit Wambach.
Versorgungslücken bestünden und entstünden zunehmend in der hausärztlichen Versorgung. Vorrangig müsse sein, diese zu stärken. Einzelne allgemeinmedizinische Leistungen reichten nicht aus. „Hier sehen wir dringenden Verbesserungsbedarf“, sagte er.
Nur in unterversorgten Regionen, wenn die hausärztliche Versorgung nicht anders gewährleistet werden könne, dürften andere Versorgungseinrichtungen tätig werden. „Hausärztliche Versorgung ist weit mehr als nur einzelne allgemeinmedizinische Leistungen anzubieten. Rosinenpickerei muss verhindert werden“, so Wambach.
Damit keine Konkurrenz zu bestehenden Praxisstrukturen entstehe, müsse die Einrichtung von sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen strikt auf unterversorgte Gebiete begrenzt und regelmäßig überprüft werden – so der Vorschlag des Virchowbundes.
„Der Grundsatz ‚ambulant vor stationär‘ darf nicht ausgehebelt werden. Deswegen darf eine Ermächtigung der Institutsambulanzen nicht mit Ewigkeitsgarantie entstehen. Stattdessen müssen wir Niederlassungen weiter fördern. Sollten sich genügend Praxisärzte für die Niederlassung finden, sind diese Ermächtigungen zu beenden“, fordert Wambach.
„Der scheinbare Freund der ambulanten hausärztlichen Versorgung zeigt sein wahres Gesicht“, sagte heute der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende, Stephan Hofmeister. Lauterbach wolle die hausärztliche Versorgung verstärkt in Kliniken stattfinden lassen.
Das sei „genau das Gegenteil der gebetsmühlenartig vorgetragenen Aussage des Ministers, die Hausärztinnen und Hausärzte stärken zu wollen“. An seinen Taten muss der Minister gemessen werden, nicht an Worten,so der KBV-Vize. Er monierte, selbst die im Koalitionsvertrag seit Jahren festgelegte Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen sei immer noch nicht umgesetzt.
Abgesehen davon, dass vollkommen unklar sei, mit welchem qualifizierten Personal Krankenhäuser eine hausärztliche Versorgung anbieten sollten, stellt sich die grundsätzliche Frage nach der politischen Verlässlichkeit. „Hier fließen erneut Milliarden in die stationäre Versorgung, anstatt die ambulanten hausärztliche Versorgung substanziell zu stärken“, so Hofmeister.
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