Daniel Bahr wird neuer Gesundheitsminister

Berlin – Mit einem weitreichenden personellen Umbau will die FDP nach den jüngsten Niederlagen bei den Landtagswahlen den Weg aus der Krise schaffen. Danach wird der bisherige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler neuer Wirtschaftsminister. Der designierte FDP-Parteichef löst nach eigenen Worten Rainer Brüderle ab, der zum neuen Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion gewählt wurde. Rösler gab zugleich bekannt, dass der bisherige Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr, neuer Bundesgesundheitsminister wird. Beide Umbesetzungen im Kabinett seien von der Fraktion in einer Schaltkonferenz am Dienstagnachmittag gemeinsam mit den Mitgliedern des Bundesvorstandes beschlossen worden.
Ziel sei es, damit alle Personaldiskussionen abzuschließen und „ein klares Signal für den Aufbruch zu setzen“, sagte Rösler nach der Sitzung. Er habe „klare Vorstellungen“, wie es zu schaffen sei, die Partei aus ihrer derzeit schwierigen Lage herauszuführen. Rösler dankte der bisherigen Fraktionschefin Birgit Homburger dafür, dass sie ihn durch ihren Verzicht auf den Fraktionsvorsitz darin unterstütze. Er werde sie für den Fall seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden als seine erste Stellvertreterin vorschlagen.
Unmittelbar nach der Entscheidung der FDP-Spitze begrüßten Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Entscheidung. „Mit dem Regierungswechsel im Herbst 2009 und der Amtsübernahme von Philipp Rösler als Bundesgesundheitsminister wurde eine neue Kultur des Vertrauens in der Zusammenarbeit zwischen Politik und Ärzteschaft begründet“, sagte der BÄK-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe. Auch Daniel Bahr habe in den vergangenen Jahren als parlamentarischer Staatssekretär auf eine enge Kooperation zwischen Politik und Ärzten sowie anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen hingewirkt. „Neben seiner Dialogbereitschaft ist es vor allem seine Fachkompetenz, die uns Ärztinnen und Ärzte auch für die Zukunft auf eine fruchtbare Zusammenarbeit hoffen lässt“, sagte Hoppe.
Auch der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Köhler, verwies auf die Fachkompetenz des 34-jährigen. „Als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium ist er bereits bestens mit wichtigen Themen in der Gesundheitspolitik vertraut“, sagte er. Bahr zeichne sich durch hohe Sachkompetenz in diesem oftmals komplizierten Politikfeld aus. „Die KBV begrüßt, dass Daniel Bahr das Amt des Bundesgesundheitsministers übernehmen wird“, betonte der KBV-Chef.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte den schnellen Personalumbau bei der FDP ein „sehr hilfreiches Vorgehen". Sie werde mit Rösler als FDP-Vorsitzendem ebenso gerne zusammenarbeiten wie sie es mit Guido Westerwelle auf diesem Posten getan habe und als Außenminister ja auch weiterhin tue, sagte sie vor ausländischen Journalisten in Berlin.
Daniel Bahr, 34 Jahre alt
Einer der jüngsten, wieder einmal: 1976 in Lahrstein geboren und 1992 in die FDP eingetreten war Daniel Bahr 2002 einer der jüngsten Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Da hatte er schon fünf Jahre die Jungen Liberalen geleitet, von 1999 bis 2004.
2009, als Philipp Rösler ihn im Oktober als parlamentarischen Staatssekretär nach Berlin holte, waren der studierte Volkswirt und sein Chef die jüngsten Regierungsmitglieder. Bahrs Ambitionen schadete das nicht: Parteifreunde kommentierten hinter vorgehaltener Hand, der Münsteraner wäre lieber als Generalsekretär seiner Partei oder direkt an Röslers Stelle angetreten. Ist doch der Posten des parlamentarischen Staatssekretärs oft nur ein Parkplatz für altgediente Abgeordnete. Aber Bahr interpretierte das Amt neu und stürzte sich in die Umsetzung eines liberalen Wunschprojektes, nämlich die Umstellung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf ein neues Finanzierungssystem, dass den Sozialausgleich über das Steuersystem leistet und nicht über die Arbeitseinkommen der GKV-Mitglieder.
Als Bahr im Frühjahr 2010 hörte, dass Projekt liege bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) auf Eis, war er entsetzt, dann kam auch noch ein Streit mit der CSU hinzu. „Das hat mich ungemein frustriert und desillusioniert“, sagte Bahr Ende August 2010 gegenüber dem Rheinischen Merkur.
Das ist Vergangenheit, die Zeichen stehen auf Aufbruch. Mittlerweile sieht er die Finanzierungsreform vom Sommer 2010 durchaus nicht mehr als „Reförmchen“. „Wir entkoppeln Gesundheits- und Arbeitskosten, was Arbeit schafft und geben den Kassen Autonomie zurück, indem sie die Höhe des Zusatzbeitrags selbst bestimmen können“, verteidigt er die Reform. Ihre Wirkung „sei nicht zu unterschätzen“.
Zusätzlichen Schwung bekam seine Karriere, als er im November den Vorsitz der FDP in Nordrhein-Westfalen (NRW) nach dem Rücktritt von Andreas Pinkwarth übernahm. Von Überforderung keine Spur, im Gegenteil. Als Vorsitzender eines großen Landesverbandes könne er der Gesundheitspolitik in Berlin noch mehr Gewicht verleihen, so seine Sicht der Dinge.
Auf seine Erfolgsliste buchte Bahr in der Folge das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, kurz AMNOG. „Damit haben wir in Deutschland einen Paradigmenwechsel eingeleitet“, sagte er. Jede neue Arznei müsse frühzeitig belegen, ob sie einen Fortschritt im Vergleich zu den herkömmlichen Präparaten darstelle. Das sei fair.
Jetzt Bundesgesundheitsminister – und der jüngste im Kabinett, wieder einmal. Wofür steht der junge Liberale? „Bei Gesamtausgaben der GKV von 170 Millionen Euro gibt es Sparpotenzial, vor allem durch mehr Effizienz“, sagte er im Sommer vergangenen Jahres. Die hebe man aber nicht in wenigen Monaten. Nötig seien mehr Kostentransparenz und Anreize für gesundheits- und kostenbewusstes Verhalten.
Die Praxisgebühr sei dafür aber kein geeignetes Instrument. „Sie senkt die Zahl der Arztbesuche nicht. Wir wollen eine unbürokratischere Lösung als heute“, so Bahr. Das gegenwärtige System setze auch für Ärzte falsche Anreize, sie orientiere sich zu stark „am Mittelmaß“ und sei zu wenig leistungsbezogen. Das sind zunächst noch Stichworte, aber Bahr hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er verbissen und durchsetzungsstark genug ist, daraus konkrete Gesetzesvorhaben zu machen.
Hat er mit 34 nun alles erreicht? Aber nein. Das zeigt eine kleine Szene, die sich von zehn Jahren ereignete und die der Stern in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Bahr rüttelte damals an den Stäben des Berliner Kanzleramtes – eine Anspielung auf den jungen Gerhard Schröder, der das beim Bonner Kanzleramt gemacht hatte. Bahrs Aktion war als Spaß gemeint. Damals.
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