Medizin

Darmbakterien beeinflussen Schmerz bei Chemotherapie

  • Mittwoch, 19. Juli 2017

Boston – Die Schmerzen, unter denen viele Patienten bei einer Chemotherapie mit Oxaliplatin leiden, konnten in einer tierexperimentellen Studie in Nature Neuroscience (2017; doi: 10.1038/nn.4606) durch eine Antibiotikabehandlung verhindert werden. Es könnte jedoch gute Gründe geben, auf eine „Darmsanierung“ bei Krebspatienten zu verzichten.

Etwa 30 Prozent aller Patienten entwickeln unter einer Platin-basierten Chemotherapie eine periphere Neuropathie, die häufig Dosis-limitierend ist. Die Komplikation wurde bisher auf eine toxische Wirkung von Oxaliplatin zurückgeführt, doch ein Team um Jianren Mao von der Harvard Medical School in Boston hat jetzt eine andere Erklärung. 

Die Forscher behandelten Mäuse vor der Chemotherapie mit oralen Antibiotika, was die Entwicklung der Neuropathie deutlich abschwächte. Auch Tiere, die keimfrei aufwuchsen und deshalb keine Darmflora haben, entwickelten keine Neuralgie, wenn sie mit Oxaliplatin behandelt wurden. Wurden die keimfreien Tiere gleichzeitig zur Chemotherapie mit Darmbakterien besiedelt, kam es wieder zu Schmerzen.

Die US-Forscher fanden auch den Grund für die merkwürdige Wechselwirkung. Zunächst entdeckten sie, dass die Gabe von Oxaliplatin mit einer Entzündung der Spinalganglien einhergeht. Die Spinalganglien sind die erste Umschaltstation der sensiblen Nervenfasern, die unter anderem Schmerzreize von der Haut an das Gehirn weiterleiten. Die Entzündung der Spinalganglien war deutlich schwächer ausgeprägt, wenn die Tiere vorher mit Antibiotika behandelt wurden und die Chemotherapie nicht zu einer peripheren Neuropathie geführt hatte. 

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Entzündung in den Spinalganglien von Makrophagen vermittelt wird. Diese Fresszellen setzen vermehrt Zytokine frei, wenn sie durch Lipopolysaccharide (LPS) von gramnegativen Bakterien stimuliert werden. Die LPS gelangen unter einer Therapie mit Oxaliplatin, das möglicherweise die Darmbarriere stört, vermehrt in den Blutkreislauf. Tatsächlich konnte die schützende Wirkung einer Antibiotikabehandlung bei den Tieren aufgehoben werden, wenn den Tieren oral LPS zugeführt wurde. Die erhöhte Sensibilisierung der Makrophagen wird vermutlich durch das angeborene Immunsystem vermittelt.

Eine klinische Konsequenz aus den Ergebnissen könnte eine begleitende Antibiotika­behandlung von Patienten sein, die eine Chemotherapie mit Oxaliplatin erhalten. Dies könnte jedoch keine gute Idee sein. In früheren Studien kam nämlich heraus, dass die zytostatische Wirkung von Oxaliplatin auf die Anwesenheit von Darmbakterien angewiesen ist.

rme

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