Vom Arztdasein in Amerika

Das Recht des Assistenzarztes

  • Freitag, 4. November 2011

Im Laufe eines Dienstes nahm ich eine 30-jährige Patientin mit pleuritischen Brustschmerzen und Tachykardie auf. Ihre Krankenanamnese umfasste neben einem schlecht eingestellten Hypertonus auch Panikattacken. Die Schmerzsymptomatik hatte akut eingesetzt, strahlte in den Rücken („zwischen die Schulterblätter“) aus und war mit subjektiver Atemnot assoziiert.

Der körperliche Untersuchungsbefund und das EKG waren unauffällig. Somit war naturgemäß meine Differenzialdiagnose eine sehr große, neben psychisch bedingten Ursachen auch Krankheiten wie eine Lungenembolie umfassend. Die Laborwerte, bis auf leichtgradig erhöhte D-Dimere, waren unauffällig.

Ohne Rücksprache mit meinem Oberarzt ordnete ich ein sogenanntes “Dreifach-CT” an: Eine Computertomographie des Thorax, bei dem die Kontrastgabe derart verabreicht wird, dass der Radiologe mit einer Sensitivität jenseits der 90% sowohl ein akutes Konronarsyndrom, als auch eine proximale Aortendissektion und Lungenembolie erkennen bzw. ausschließen kann.

Zwar eine etwas teure und aufwendige (Kardiologen sind ebenfalls an der Auswertung mitbeteiligt) Untersuchung, aber eine immer beliebter werdende, weil sie nicht nur medizinisch wertvolle Informationen mit nur einer einzigen diagnostischen Modalität liefert, sondern juristisch dem Arzt Rückhalt gibt, dass die schlimmsten differenzialdiagnostischen Krankheiten wie z.B. Aortendissektion, Lungenembolie, akutes Koronarsyndrom, Pneumothorax, Börhaave-Syndrom und Herztamponade weitestgehend ausgeschlossen werden.

Nicht sehr überraschend war die Dreifach-CT negative; es fand sich nichts Pathologisches im Thoraxbereich. Die Schmerzen waren wohl psychisch bedingt und ebbten auch über die nächsten 24 Stunden mit peroraler Narkotikagabe ab. Als ich abends Rücksprache mit meinem Oberarzt hielt, stimmte er meiner Vorgehensweise zu und fand meinen Ressourceneinsatz sinnvoll.

Welch ein Unterschied zu einigen deutschen und französischen Krankenhäusern, in denen ich in der Vergangenheit gearbeitet oder famuliert hatte: In Frankreich war es mir beispielsweise mehrmals passiert, dass ich Ärger kriegte weil ich z.B. D-Dimere angeordnet hatte.

„Das sind Untersuchungen, die nur von Nichtassistenten angeordnet werden dürfen“, so die oberärztliche Aussagen damals. In einigen deutschen Krankenhäusern war es mir ähnlich bei CT-Untersuchungen ergangen: Der Radiologe rief an, um dann meist mit meinem Oberarzt die Indikation auf ihre Gültigkeit abzuklären.

Umso dankbarer bin ich daher hier in den USA – der Assistenzarzt ist eben ein Arzt, der zwar noch nicht ganz so erfahren ist und deshalb einen Oberarzt an der Seite hat, der aber nicht dauernd grünes Licht von oben braucht.

mis

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