Medizin

Defibrillation könnte auch mit Lichtstrahlen gelingen

  • Dienstag, 13. September 2016
Uploaded: 13.09.2016 19:06:17 by mis

Bonn – Ein Lichtreiz auf das Herz könnte in Zukunft eine ventrikuläre Arrhythmie schmerzfrei beenden und Menschen vor einem plötzlichen Herztod schützen. Bei Mäusen ist dies laut einer Studie im Journal of Clinical Investigation (2016; doi: 10.1172/JCI88950) bereits gelungen. Bevor dem ersten Patienten ein „optischer“ Defibrillator implantiert wird, müssten allerdings noch einige Schwierigkeiten überwunden werden.

Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) gehören seit einigen Jahren zum medizinischen Standard. Die Geräte von der Größe eines Herzschrittmachers erkennen eine ventrikuläre Arrhythmie und beenden sie in der Regel erfolgreich mit einem gezielten Stromstoß. Für die Patienten ist dies zwar lebensrettend, aber häufig sehr schmerzhaft, so dass viele ICD-Träger unter großen Ängsten leiden. Weniger belastend könnte ein  implantierbarer „optischer“ Defibrillator sein, den ein Team um JPhilipp Sasse vom Institut für Physiologie I der Universität Bonn entwickelt hat.

Die Forscher nutzten dabei die Methode der „optogenetischen“ Stimulation, die ursprünglich von Hirnforschern entwickelt wurde, um einzelne Nervenzellen zu stimulieren. Dazu wird das Gen für sogenannte Kanal-Rhodopsine in die Zellen eingeschleust. Es handelt sich um Kanäle aus Grünalgen, die unter Einfluss von Licht wie ein Schalter die Durchlässigkeit von Ionen durch die Zellmembran verändern. Im Gehirn kann dies einen Nervenimpuls induzieren, im Herzmuskel könnte ein Lichtstrahl eine geordnete Kontraktion des Muskels auslösen.

Die Bonner Forscher haben die Methode zunächst an transgenen Mäusen untersucht, die das Gen von Geburt an in ihren Zellen haben. Nach einem künstlich ausgelösten Herzinfarkt konnten die Forscher eine ventrikuläre Arrhythmie durch eine epikardiale Illumination von einer Sekunde Länge beenden. Auf den Menschen übertragbar ist dies natürlich nicht, da Menschen nicht mit dem Gen für Kanal-Rhodopsine geboren werden.

Die Gene könnten jedoch auch im späteren Leben, etwa bei einem Postinfarkt-Patienten, in den Herzmuskel eingebaut werden. Dies ist heute mit Hilfe von Adenoviren möglich, die bevorzugt den Herzmuskel infizieren und dann das Gen in den Zellen ablegen. Der Zellstoffwechsel nutzt den Bauplan für die Herstellung von Kanal-Rhodopsinen, die dann in die Zellmembran integriert werden. Bei Mäusen hat dies funktioniert. Vier bis acht Wochen nach der Infektion mit den Adenoviren reagierte mehr als die Hälfte der Herzmuskelzellen auf den Lichtreiz. Noch ein Jahr später konnten die Forscher durch einen Lichtreiz auf den Herzmuskel eine ventrikuläre Arrhythmie beenden.

Eine Computersimulation, die Natalia Trayanova von Institut für Computermedizin und biomedizinisches Ingenieurwesen der Johns Hopkins Universität in Baltimore durch­geführt hat, ergab, dass eine ähnliche Behandlung auch beim Menschen möglich wäre. Da der Mensch ein größeres Herz hat als die Maus, müsste jedoch ein energiereicheres Rotlicht verwendet werden.

Bei Mäusen gelang die Behandlung mit energiearmem Blaulicht. Sasse schwebt die Implantation eines Lichtnetzes vor, das auf den Herzbeutel implantiert werden müsste. Dies würde allerdings eine offene Herzoperation erforderlich machen, während ein konventioneller ICD wie ein Herzschrittmacher ohne Eröffnung des Brustkorbs implantiert werden kann. Ob der höhere Aufwand – eine vielleicht nicht ungefährliche Gentherapie mit Adenoviren und die Implantation des Lichtnetzes – den möglichen Vorteil einer schmerzfreien Defibrillation aufwiegen würde, bleibt deshalb dahingestellt.

rme

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