Defizite bei der Transplantationsversorgung von Kindern und Jugendlichen

Berlin – Für kranke Kinder und Jugendliche in Deutschland bietet zwar die moderne Transplantationsmedizin große Chancen und hohe Überlebensraten. Doch gerade für sie ist die Versorgungssituation aufgrund von langen Wartezeiten auf eine lebensrettende Organspende, mangelnder Transition und Nachsorge häufig defizitär.
Darauf wiesen heute verschiedene Fachleute sowie die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen (DGIV) im Vorfeld des 13. Kongresses der International Pediatric Transplant Association (IPTA) hin, der ab morgen in Berlin und damit erstmals in Deutschland stattfindet.
Kongresspräsident Lars Pape mahnte heute vor der Presse zügige gesetzliche Änderungen an, die zu Verbesserungen der defizitären Versorgungssituation bei der Organtransplantation für Kinder und Jugendliche führen könnten.
„Wir brauchen möglichst rasch liberalere Regelungen für Cross-over-Spenden, und wir sollten auch bei der Widerspruchslösung endlich entscheidende Schritte vorankommen“, sagte er. Die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) angekündigten gesetzlichen Reglungen müssen aus seiner Sicht schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden.
Ein Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für eine Novellierung der Regelungen zur Lebendorganspende liegt seit einigen Wochen bereits vor. Ihm zufolge sollen Nierenlebendspenden künftig nicht nur wie bisher bei bestehendem Näheverhältnis von spendender und empfangender Person möglich sein, sondern auch Nierenspenden zwischen zwei unterschiedlichen Paaren über Kreuz, sogenannte Cross-over-Lebendspenden, sowie nicht gerichtete anonyme Nierenspenden.
Zudem soll die Nachrangigkeit einer Lebendspende gegenüber einer postmortalen Spende (Subsidaritätsgrundsatz) entfallen, womit die Voraussetzungen für medizinisch vorzugswürdige präemptive, also der Dialysepflichtigkeit vorbeugende, Nierentransplantationen geschaffen werden sollen. Auch ein erneuter Vorstoß aus dem Parlament zur Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende ist für diese Legislaturperiode vorgesehen.
Pape hofft dringend auf all diese gesetzlichen Änderungen. „Unseren Kindern und Jugendlichen läuft buchstäblich die Zeit davon“, betonte der Transplantationsmediziner vom Universitätsklinikum Essen. Zwar würden jährlich in Deutschland knapp 200 Kinder und Jugendliche transplantiert. Bis zu 20 Kinder würden jedoch auch alljährlich in Deutschland sterben, weil Organe nicht in ausreichender Menge verfügbar seien.
Bei Herz- und Lebererkrankungen seien Transplantationen oft der einzige Ausweg, so Pape. Aber auch bei Nierenerkrankungen sei die Situation schwierig, weil die jungen Patientinnen und Patienten zwar dialysiert werden könnten, dies aber für Eltern und Kinder eine nur schwer erträgliche Lebenssituation zur Folge habe.
Durchschnittlich warten Pape zufolge Kinder in Deutschland aktuell etwa zwei Jahre auf ein passendes Spenderorgan, wobei Nieren-, Leber- und Herztransplantationen zu den häufigsten Eingriffen gehörten.
Vorgestellt wurde im Vorfeld des Kongresses auch das aktuelle Positionspapier zur Transplantationsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen. Die Fachgesellschaft sieht auch gerade bei den Transplantationen bei Kindern und Jugendlichen Verbesserungsbedarf.
DGIV-Generalsekretär Michael Meyer, zugleich auch Vorstandsmitglied der Rudolf-Pichlmayr-Stiftung, fokussierte insbesondere auf die Versorgungslücken nach einer Transplantation. Dann sei für transplantierte Kinder und Jugendliche vor allem die Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin ein „kritischer Punkt“.
Vorhandene Leitlinien würden sehr heterogen umgesetzt und Transitionsleistungen im Gesundheitssystem nicht finanziert. „Hier beruht Vieles auf dem Engagement von Einzelpersonen – und damit auf einem zufälligen Setting“, bemängelte er. Es fehle eine indikations- und sektorenübergreifende Plattform für die Versorgungsprofis und die Angehörigen, die alle verfügbaren Angebote systematisch bündele und miteinander vernetze, so Meyer.
Problematisch ist Transplantationsmediziner Pape zufolge auch, dass in Deutschland junge Patienten ihre pädiatrischen Prioritäten genau mit Vollendung des 18. Lebensjahres verlieren würden. Dies sei beispielsweise in den USA nicht so, erläuterten die Transplantationsmedizinerinnen Katherine E. Twombley, President Elect der International Pediatric Transplant Association, und Gina Aeckersberg, beide vom Musc University Hospital in Charleston, USA.
„In den USA gilt: Wenn ein Patient vor dem 18. Lebensjahr mit der Dialyse beginnt oder vor dem 18. Lebensjahr auf die Transplantationsliste gesetzt wird, wird er als pädiatrischer Patient geführt und erhält eine höhere Priorität auf der Transplantationsliste“, erklärte Twombley. Darüber hinaus werde jeder Bürger beim Ausstellen des Führerscheins und dessen in den USA üblichen regelmäßigen Verlängerung nach seiner Organspendebereitschaft gefragt.
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