Degenerative Hirnerkrankungen erhöhen Kriminalität

San Francisco – Demenz-Patienten geraten häufiger als andere Menschen mit dem Gesetz in Konflikt. Besonders gefährdet sind einer Studie in JAMA Neurology (2015; doi: 10.1001/jamaneurol.2014.3781) zufolge Patienten mit frontotemporaler Demenz.
Patienten mit frontotemporaler Demenz (FTD), auch Morbus Pick genannt, sind für ihre Mitmenschen eine starke Belastung. Die Degeneration in Stirnhirn und Schläfenlappen führt zu einer Veränderung der Persönlichkeit, die archaische Wesenszüge zutage treten lässt, die Erziehung und Sozialisierung normalerweise verdecken. Anfangs sind es nur Taktlosigkeiten im Umgang mit Mitmenschen. Später kommt es zur Verletzung sozialer Normen, die neben dem Ärger der Mitmenschen auch polizeiliche Aktionen zur Folge hat.
Von den 260 Patienten mit einer FTD, die am Memory and Aging Center der Universität von Kalifornien in San Francisco behandelt wurden, waren vor ihrer stationären Behandlung nicht weniger als 88 (33,8 Prozent) bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wobei Patienten mit der verhaltensbetonten Variante der FTD (37,4 Prozent) häufiger Probleme hatten als Patienten mit der sprachbetonten Variante der FTD (27 Prozent), bei denen zu der Demenz ein Verlust der semantischen Fähigkeiten hinzu kommt. FTD-Patienten waren wegen Diebstahl, Verkehrsverletzungen, sexueller Avancen, Hausfriedensbruch und Urinierens in der Öffentlichkeit verhaftet worden.
Auch Patienten mit Morbus Huntington, bei denen psychische Beschwerden den Bewegungsstörungen oft um mehrere Jahre vorausgehen, laufen Gefahr, delinquent zu werden. Das Team um Bruce Miller vom Memory and Aging Center fand bei sechs von 30 Patienten (20 Prozent) mit der Huntington-Krankheit Einträge im kalifornischen Strafregister. Während Menschen mit FTD gewalttätig werden können, ist die Delinquenz von Patienten mit Morbus Alzheimer (42 von 545 Patienten oder 7,7 Prozent) meistens Folge ihrer Gedächtnisstörung. Die meisten Patienten fielen der Polizei durch unachtsames Verhalten im Straßenverkehr auf.
Für die Neurologen in Kalifornien ist es nicht immer einfach, ihre Patienten vor einer Strafverfolgung zu schützen. Die im US-amerikanischem Strafrecht verankerte Einrede einer geistig-seelischen Störung („defence of insanity“) werde dem Spektrum der Symptome bei Demenzpatienten nicht immer gerecht, schreibt Miller. Vielfach falle es den Psychiatern schwer, das Gericht von der Schuldunfähigkeit ihrer Patienten zu überzeugen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: