Medizin

Demenzerkrankung: Nichtmedikamentöse Therapieverfahren sind wirksam bei Verhaltensstörungen

  • Freitag, 30. Juni 2017
Robert Kneschke, stock.adobe.com
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Köln – Nichtmedikamentöse Therapieverfahren, wie Erinnerungstherapie, Ergo­therapie, Musiktherapie oder körperliche Aktivitäten, sind bei der Behandlung von Verhaltensstörungen Demenzerkrankter wirksam. Dies zeigt die Übersichtsarbeit von Torsten Kratz in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 447­-54). Auf der Grundlage einer selektiven Literaturrecherche zeigt er, dass den nichtmedikamentösen Verfahren ein höherer Stellenwert zukommen sollte, so wie dies auch in der neuen nationalen S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Demenz gefordert wird.

Verhaltensstörungen sind häufige Komplikationen bei Demenzerkrankung. Zwischen 76-96 % aller betroffenen Patienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung Symptome, wie zum Beispiel Aggressivität, Unruhe, Enthemmung, Affektlabilität oder Apathie. Besonders bei fortschreitender Krankheit seien diese für Heimeinweisung, Kranken­hausbehandlungen sowie den Einsatz von Psychopharmaka verantwortlich und mit einem deutlich erhöhten Pflegeaufwand verbunden, betont der Autor, der eine gerontopsychiatrische Fachabteilung an einem Berliner Krankenhaus leitet. Gleichzeitig seien diese Verhaltensstörungen der größte Stressor für betreuende Angehörige und Pflegepersonal.

Diese Verhaltensstörungen haben nachvollziehbare und oft behandelbare körperliche, psychologische oder umfeldassoziierte Ursachen. Zu den letzteren zählt Kratz einen defizitorientierten Umgang mit dem/der Erkrankten, bei dem sich das Handeln der betreuenden Personen hauptsächlich an den Einbußen statt an den Ressourcen orientiert. Vermieden werden sollte insbesondere auch eine an den vordergründigen Symptomen orientierte medikamentöse Behandlung Demenzerkrankter.

Eine ursachenspezifische Therapie von Verhaltensstörungen sollte vor der am Symptom orientierten Gabe von Psychopharmaka stehen. Als Beispiel für somatische Ursachen eines aggressiven Verhaltens werden Schmerzen infolge von Stürzen, unerkannten Frakturen oder fehlsitzenden Zahnprothesen genannt; durch kognitive Defizite seien mittelschwer bis schwer Demenzerkrankte nur unzureichend in der Lage, Schmerzen zu äußern oder schmerzlindernde Haltungen einzunehmen. Stattdessen trete ein unspezifisches Gequältsein auf, das zu Aggressivität führen könne.

Auch wenn hinsichtlich der Wirksamkeit nichtmedikamentöser Verfahren noch weiterer Forschungsbedarf bestehe, möchte der Autor diese intensiver in die tägliche Praxis von Heimen und Krankenhäusern implementiert sehen. Die Lebensqualität von Betroffenen und pflegenden Bezugspersonen könnte dadurch verbessert und eine Polypharmazie vermieden werden. 

rme

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