Vom Arztdasein in Amerika

Den Arzt googeln

  • Donnerstag, 27. Juni 2013

85-jähriger Patient, Aspirationspneumonie, mäβiggradig dement und nun gebessert – ich will ihn in sein Pflegedomizil entlassen. Als ich die Patientenakte aufschlage, sehe ich sofort, dass die ihn betreuende Krankenschwester mir einen roten Notizzettel eingeheftet hat: „Bitte rufen Sie die Tochter an. Ihre Mobiltelefonnummer lautet…” Es ist zwar ein voller Visitentag, doch ich komme, wie im Prinzip immer, der Aufforderung nach. Ich wähle die Nummer, am anderen Ende hebt eine dynamisch klingende Frau ab und antwortet ganz nach amerikanischer Manier: „Hallo?”

„Dr. Petrulus hier. Ich rufe Sie, nun, um vertraulich zu sein, wegen Ihres Vaters William an. Können Sie mir bitte, ehe ich Ihnen persönliche Details erzähle, mir seinen Nachnamen und Geburtsdatum nennen?” Denn in den USA muss man sich an hiesige Gesetze mit entsprechenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die scharf eingeklagt werden können, halten. Sie nennt mir die Daten ihres Vaters und bittet mich ihrerseits nun, meinen vollen Namen zu buchstabieren und ihr genau zu sagen, wer ich sei. Das ist eine typische Frage in den USA und ich komme ihrer Bitte nach.

Während ich ihr vom Krankheits- und Genesungszustand ihres Vaters berichte, scheint sie nebenbei etwas zu machen. Plötzlich unterbricht Sie mich: „Ich habe Sie gerade gegoogelt. Sie sind wirklich erst Anfang 30? Sie haben in Deutschland studiert? Sind Sie denn nun Amerikaner oder Deutscher? Ach, jetzt sehe ich ja Ihr Bild und Bewertungen.”

Das ist mir nun schon einige Male passiert, aber jedes Mal empfinde ich das als sehr ungewohnt. Transparenz nennt man das. So ganz fühlte ich mich in dem Moment nicht wohl und brauchte auch dieses Mal einige Sekunden, um wieder den Faden zu finden.

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