Designer-Embryos: Forscher fordern Moratorium für Gen-Editing

Washington – Neue Werkzeuge der Molekularbiologie haben die genetische Veränderung von Organismen deutlich erleichtert. Gerüchten zufolge soll es bereits Wissenschaftler geben, die mit genetisch veränderten Embryonen arbeiten. Zwei Forschergruppen warnen in Nature und Science vor der gezielten Veränderung des Erbguts in menschlichen Embryonen und fordern ein Moratorium.
Wenn bisher von Designer-Embryonen die Rede war, betraf die Diskussion meistens die Präimplantationsdiagnostik, bei der nach der künstlichen Befruchtung im Labor jenes Embryo ausgewählt wird, das die Eigenschaften aufweist, die die Eltern wünschen. Dies kann im günstigen Fall ein Kind sein, das frei von einer Erbkrankheit ist, es kann aber auch ein Kind in der gewünschten Haarfarbe oder mit anderen Eigenschaften sein.
Die Möglichkeiten der Gentechnik gehen heute jedoch viel weiter. Mit sogenannten Endonukleasen können Forscher gezielt Gene aus dem Erbgut entfernen. Dies ist beispielsweise mit Zinkfinger-Nukleasen (ZFN) möglich, die vor einigen Jahren entwickelt wurden.
Im letzten Jahr haben US-Forscher in einer Pilotstudie gezeigt, wie man mit dieser Methode HIV-Patienten behandeln kann: Die Forscher entnahmen den Patienten normale CD4-Zellen, entfernten im Labor mittels ZFN-Systemen das CCR5-Gen und infundierten die Zellen zurück. Da HI-Viren CCR5 als Co-Rezeptor benötigen, um in CD4-Zellen zu gelangen, waren die zurück infundierten Zellen vor einer Infektion geschützt. Tatsächlich kamen einige Patienten eine Zeitlang ohne Medikamente aus (bis die modifizierten Zellen abgestorben waren).
ZFN sind in der Herstellung aufwendig und die Effizienz ist begrenzt. Sogenannte „CRISPR/Cas9“-Systeme können sehr viel schneller hergestellt werden, und sie arbeiten wesentlich effizienter. Sie haben sich in den letzten beiden Jahren zum bevorzugten Instrument der Gen-Editoren entwickelt – und die beiden Erfinderinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna gelten als Kandidatinnen für einen der nächsten Nobelpreise.
Das Verführerische an den neuen Gen-Editoren ist, dass sie auch bei der In-vitro-Fertilisation eingesetzt werden könnten. Mit ZFN oder CRISPR/Cas9“-Systemen könnte beispielsweise das CCR5-Gen aus der befruchteten Eizelle entfernt werden. Die so veränderten Menschen wären später lebenslang resistent gegen HIV und einige ihrer Nachfahren ebenfalls, da das Gen auf normalem Weg weitervererbt würde. Auch die Auslöser von Erbkrankheiten könnten aus dem Erbgut „gekickt“ werden. Auf diese Weise könnten Erkrankungen auf Dauer beseitigt werden.
Gerade dieser permanente Eingriff ins Erbgut künftiger Generationen stößt bei vielen Forschern auf Ablehnung. Eine Gruppe um Edward Lanphier von Sangamo BioSciences aus Richmond/Kalifornien, der Firma, die die Experimente mit CCR5 durchgeführt hat, lehnt deshalb jede genetische Manipulation an Keimzellen strikt ab. Sollte sich einmal eine Situation ergeben, in der diese Forschung sinnvoll sein könnte, dann sollte vorher eine öffentliche Debatte durchgeführt werden, forderten sie in der letzten Woche in einem Kommentar in Nature (2015; 519: 410–411).
Einen ähnlichen Standpunkt vertritt jetzt auch Doudna mit einer Reihe namhafter Kollegen, darunter David Baltimore, Emeritus am California Institute of Technology und seinerzeit ein Wegbereiter der Gentechnik. Baltimore hatte 1975 eine Konferenz in Asilomar State Beach/Kalifornien mitorganisiert. Dort hatte sich eine Reihe von Mikrobiologen für ein Moratorium zur genetischen Veränderung von Lebewesen mit rekombinanter DNA ausgesprochen, das in den Folgejahren auch eingehalten wurde.
Heute ist die Methode ein gängiger Standard bei der Entwicklung von Medikamenten. Rekombinante Organismen oder Zellen stellen Insulin und Antikörperpräparate für eine zielgerichtete Therapie her. Ein ähnliches Moratorium schwebt der Gruppe um Doudna jetzt für das Gen-Editing mit CRISPR/Cas9, ZFN oder TALEN vor, einer weiteren effizienten Methode zur Genmanipulation.
Die Moratoriumsforderung ist jedoch nicht absolut. Die Forscher sollten zwar, wie es heißt, unter allen Umständen Modifikationen am Erbgut von Keimzellen unterlassen und auf gar keinen Fall die genmanipulierten Embryonen austragen lassen. Doch die „Förderung und Unterstützung einer transparenten Erforschung“ der CRISPR/Cas9-Technologie, die für einen späteren Einsatz relevant sein könnte, ist ausdrücklich erwünscht.
Ob diese Unterscheidung zwischen potenzieller und aktueller Forschung von Forschern aus anderen Kulturkreisen nachvollzogen wird, ist jedoch fraglich. Bereits jetzt gibt es Gerüchte, die von Nature und Science kolportiert wurden, wonach chinesische Forscher bereits Änderungen an Keimzellgenen vorgenommen haben. Darauf hätten anonyme Gutachter des Peer Review-System hingewiesen. Zur Austragung der Embryonen sei es aber nicht gekommen.
Andere Forscher bezweifeln, dass die gezielte Manipulation einzelner Embryonen technisch schon soweit ausgereift ist, dass sie am Menschen eingesetzt werden könnte. Sie verweisen auf publizierte Experimente an Affen, bei denen das Gen-Editing bei der Hälfte der Tiere zu Fehlgeburten führte. Bei den ausgetragenen Tieren kam es zu einem Mosaik. Die genetische Veränderung wurde nur bei einem Teil der Zellen gefunden (Cell Stem Cell 2014; 14: 323–328). Die Befürworter des Moratoriums sehen hierin eine Bestätigung ihrer Befürchtung. Auf dem derzeitigen Kenntnisstand seien die Ergebnisse unvorhersehbar und eine Anwendung am Menschen umso verwerflicher.
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