Deutscher Herzbericht: Ostdeutsche Bundesländer weisen hohe Sterblichkeit auf

Berlin – Das Risiko, an einer ischämischen Herzkrankheit zu versterben, ist in Deutschland weiterhin regional sehr unterschiedlich. Dies zeigt der heute in Berlin vorgestellte aktuelle Deutsche Herzbericht, der jährlich durch die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit den ärztlichen Fachgesellschaften für Kardiologie, Herzchirurgie und Kinderkardiologie herausgegeben wird. Ihm zufolge verstarben in den östlichen Bundesländern im Jahr 2013 in Sachsen-Anhalt 389 von 100.000 Bewohnern, in Sachsen 360, in Thüringen 335 und in Mecklenburg-Vorpommern 319. Am anderen Ende der Skala befinden sich Berlin mit einer Sterbeziffer von 193, Hamburg mit 214 und Baden Württemberg mit 225 von 100.000 Einwohnern.
Große Unterschiede insbesondere bei der Herzinsuffizienz
„Die aus früheren Herzberichten bereits bekannten Unterschiede zwischen den Bundesländern bleiben bestehen“, bestätigte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung Karl-Heinz Kuck. Besonders groß seien die Unterschiede bei der Herzinsuffizienz. Unterschiedlich präsentiere sich auch die regionale Verteilung bei der Herzinfarkt-Sterblichkeit (akuter Myokardinfarkt). In Sachsen-Anhalt betrug die Sterbeziffer 99, in Brandenburg 98, in Bremen 94 und in Sachsen 93, am anderen Ende der Skala befinden sich Schleswig-Holstein mit 43, Berlin und Hamburg mit 48.
Die Unterschiede der Sterbezahlen zwischen den Bundesländern führen die Experten auf unterschiedliche Faktoren zurück, zum Beispiel die Altersstruktur, den sozioökonomischen Status der Bevölkerung, das jeweilige Gesundheitsbewusstsein, die Ärztedichte und das regionale diagnostische und therapeutische Angebot. Der Epidemiologe Andreas Stang verwies dabei auf die verschiedenen Ebenen der gesellschaftlichen Faktoren: So habe ein niedriger Bildungsgrad Einfluss auf die soziale Lage und diese wiederum auf die Lebensstilfaktoren und die biomedizinischen Risikofaktoren.
Sachsen-Anhalt am Ende der Sterblichkeitsstatistik
Das Land Sachsen-Anhalt, das besonders negativ abschneide, nehme beispielsweise seit Jahren eine Spitzenposition in der Sterblichkeitsstatistik der ischämischen Herzkrankheit ein, berichtete der Epidemiologe. Sachsen-Anhalt sei aber ebenfalls hinsichtlich sozialer Faktoren auffällig (hoher Anteil an Schulabgängern ohne Abschluss, niedriger Anteil von Personen mit (Fach-) Hochschulreife, hohe Arbeitslosigkeit). Auch die Häufigkeit des Rauchens, von Übergewicht und Adipositas, Diabetes mellitus und sportliche Inaktivität seien in Sachsen-Anhalt deutlich erhöht. „Hier liegen präventive Ansatzmöglichkeiten“, erklärte Stang.
Der aktuelle Herzbericht zieht aber auch eine positive Bilanz: Durch die Fortschritte der deutschen Herz-Medizin ging von 1990 bis 2013 die Sterbeziffer an Herzkrankheiten um 17,2 Prozent zurück. Konkret verringerte sich die Sterbeziffer in der Gruppe der ischämischen Herzkrankheiten von 216 Einwohner pro 100.000 auf 160, bei der Herzinsuffizienz von 82 auf 57, und bei angeborenen Herzfehlern von 1,5 auf 0,6.Ein gegenläufiger Trend ist allerdings bei Herzklappenkrankheiten und bei Herzrhythmusstörungen zu beobachten.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiterhin Todesursache Nummer 1
„Diese Entwicklungen sind zum Teil eine Konsequenz der Fortschritte in der modernen Herz-Medizin mit dadurch geänderter Wahrnehmung, die sich in der Zuordnung der Diagnosen auf den Totenscheinen widerspiegelt. Sie sind aber auch Ausdruck der zunehmenden Lebenserwartung, wobei zum Beispiel das Risiko für Herzklappen- oder Herzrhythmuserkrankungen mit zunehmendem Alter überproportional ansteigt“, erklärte Kuck das Phänomen. Zudem überlebten immer mehr Patienten einen akuten Herzinfarkt, erkrankten aber später an anderen Herzkrankheiten. Insgesamt sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen für zwei Drittel aller Todesfälle in Deutschland verantwortlich und somit unverändert die Todesursache Nummer 1.
Häufiger Einsatz von Herzkatheter leitliniengerecht
Einen weiterhin steigenden Trend verzeichnet der neue Herzbericht beim Einsatz von Herzkathetern für diagnostische und therapeutische Zwecke. Vom AQUA Institut (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH) erhobene Daten zeigen jedoch, dass bezüglich der Indikation zur Herzkatheter-Untersuchung in sehr hohem Maß den gültigen Leitlinien entsprechend vorgegangen wurde.
Lebensalter bei herzchirurgischen Eingriffen steigt
Die Gesamtzahl invasiver Eingriffe in den 78 herzchirurgischen Abteilungen in Deutschland blieb jedoch unverändert stabil auf hohem Niveau. Gleichzeitig zeige sich auch bei den herzchirurgischen Patienten ein stetiger Anstieg des Lebensalters, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie Armin Welz. So seien im Jahr 2014 bereits 74,6 Prozent der Patienten mindestens 60 Jahre alt gewesen.
Mehr als die Hälfte der herzchirurgischen Eingriffe am Herzen waren koronare Bypass-Operationen zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit. „In den letzten Jahren zeigt sich jährlich weitgehend eine konstante Zahl von etwa 54.000 isolierten und kombinierten Bypass-Operationen. Dies ist ein Zeichen für an sachlich-medizinischen Gesichtspunkten orientierte Entscheidungen bei der Therapiewahl“, meinte Welz.
Interdisziplinäres Team von Herzchirurgen und Kardiologen wichtig
Internationale medizinische Fachgesellschaften von Herzchirurgen und Kardiologen haben in wissenschaftlich begründeten Leitlinien zur koronaren Herzkrankheit im Jahr 2014 erneut bestätigt, dass ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Herzchirurgen und Kardiologen, gemeinsam für jeden Patienten individuell festlegen soll, ob eine Bypass-Operation oder eine Stentimplantation die zu empfehlende Therapie ist. „Wir raten den Patienten bei der Auswahl eines Krankenhauses gezielt nachzufragen, ob ein Herz-Team aktiv etabliert ist, durchgängig zur Verfügung steht und regelmäßig gemeinsame Beratungen stattfinden“, so der Herzchirurg.
Zudem weist der Herzbericht auf geschlechtsspezifische Unterschiede hin: Männer erkranken weit häufiger an den verbreitetsten Herzkrankheiten als Frauen, allerdings ist die Sterblichkeit bei Frauen insgesamt deutlich höher. „Frauen mit Herzklappenkrankheiten, Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz scheinen eine ungünstigere Prognose zu haben als Männer mit diesen Erkrankungen. Beim akuten Herzinfarkt und bei ischämischen, durch Minderdurchblutung begründeten Herzkrankheiten hingegen haben Männer eine schlechtere Prognose als Frauen“, sagte Kuck.
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