Deutschlandeindruck VI: Rückkehr in die moderne US-Medizin
Die Hospitationswochen an einem deutschen Krankenhaus haben bei mir einen schalen Beigeschmack hinterlassen. Es war schön wieder in der Heimat zu sein, aber leider hat sich das Gesundheitssystem in den drei Jahren meiner Abwesenheit nicht sehr verändert. Das ist schade, denn viele Misstände die schon zu meiner Studiums- und Arbeitszeit vorhanden waren, bestehen noch immer. Dadurch fühle ich mich bestätigt, vorerst in den USA zu bleiben und eine Stelle als Facharzt für Innere Medizin ab diesem Sommer dort anzutreten.
Ich gebe zu, dass es mir viel Spaß gemacht hat, Blut wieder selbst abzunehmen, Bluttransfusionen anzuhängen, periphere Zugänge zu legen, EKGs zu kleben und zu schreiben, Rehaanträge auszufüllen und zu faxen, statt elektronisch wieder mit Stift und Papier handschriftliche Anweisungen zu schreiben, auf Routine-CT-Untersuchungen ein bis zwei Tage zu warten und in der Zwischenzeit mittels Blutlaborwerten und körperliche Untersuchungen empirisch zu therapieren bis wir CT-Gewissheit hatten, doch wirkt das alles aus US-Sicht etwas hinterwäldlerisch.
Dass man manchmal mit der Pflege längere Diskussionen über ein bestimmtes Vorgehen führen muss ehe die Anweisungen ausgeführt wurden war zwar aus Sicht einer basisdemokratischen Diskussionskultur nett, aber leider zeitaufwendig. Weiterhin wurde der Patient nur zum Teil in den Behandlungsablauf einbezogen, es wurde ein wenig von oben herab therapiert – zeiteffizienter als eine US-Visite zwar bei der oft viel erklärt wird, aber nicht ganz im Sinne einer patientenzentrierten Medizin.
Unser deutsches Medizinsystem ist ein gutes, da gibt es keine Frage. Viele Krankenschwestern und Ärzte machen ihre Arbeit sehr gut, doch das deutsche Medizinalsystem wirkt etwas altmodisch im Vergleich zur schnelleren und technologieaffineren US-Medizin. Nach meinen Arbeitseindrücken aus Frankreich und Deutschland und dem Hörensagen von Kollegen aus Großbritannien kommen mir allmählich Befürchtungen: Ist ein primär staatlich bezahltes Gesundheitswesen immer etwas altmodischer, langsamer, patientenunzentrierter und technologiephober als ein privat bezahltes, wie das der USA?
Am Rande sei erwähnt: Falls das der Fall ist, dann hoffe ich inbrünstig, dass das staatlichzentrierte “Obamacare” scheitert.
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