Dexamethason: Leitlinie passt Dosisempfehlung für COVID-19-Therapie an

Berlin – Die jetzt in vollem Umfang publizierte Studie zu dem Nutzen von Dexamethason insbesondere für beatmete Intensivpatienten mit schwerwiegender COVID-19-Erkrankung wird nun rasch praktische Konsequenzen haben: Die AWMF Leitlinie Intensivmedizinische Therapie soll unverzüglich im entsprechenden Passus geändert werden. „Wir werden die Leitlinie noch diese Woche ändern und die Therapie mit Dexamethason in der in der Studie verwendeten Dosierung für die beatmeten Patienten mit COVID-19 empfehlen. Wir haben dies bereits unter den Autoren abgestimmt“, bestätigt Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Mitglied des Präsidiums der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Die Ergebnisse dieser Unterstudie des ambitionierten RECOVERY-Studienprogrammes (Randomised Evaluation of COVid-19 thERapY) des britischen staatlichen Gesundheitsdienstes (NHS) zur Untersuchung von Therapien für COVID-19-Patienten wurde bereits vorab als Pressemitteilung vorgestellt. Jetzt erschien die Vollpublikation im New England Journal of Medicine (DOI: 10.1056/NEJMoa2021436) die eine Senkung der COVID-19-Sterblichkeit der mechanisch-beatmeten Patienten belegt.
Die WHO wertete vor kurzem die Vorabergebnisse als „lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch“. Vom NHS war Dexamethoson ebenfalls schon zum Behandlungsstandard erklärt worden. Jetzt schlägt sich dies auch hierzulande in einer Leitlinienänderung nieder. Kluge macht darauf aufmerksam, dass der Nutzen einer Kortisontherapie bei COVID-19 bislang kontrovers diskutiert worden war. Studien bei Viruserkrankungen wie SARS und Influenza hatten beispielsweise nachteilige Effekte gezeigt.
„In der RECOVERY-Studie wurde das Kortison aber relativ spät im Erkrankungsverlauf gegeben, die Autoren vermuten einen Einfluss auf Immunprozesse“, erläutert der Intensivmediziner. Jetzt zeige diese Studie erstmals für eine Therapie bei COVID-19 eine signifikante Senkung der Sterblichkeit – und zwar überzeugend, so Kluge: „Die Studie schloss eine große Anzahl von Patienten ein und die Ergebnisse bei beatmeten Patienten sind eindeutig.“
Von den mehr als 11.500 Teilnehmern des RECOVERY-Programmes erhielten 2.104 stationär behandelte Patienten das Steroidkortison Dexamethason und 4.321 Patienten aus der Kontrollgruppe eine Standardtherapie mit Placebo. Dexamethason (6 mg) wurde einmal täglich für 10 Tage verabreicht, der primäre Endpunkt war die 28-Tage Sterblichkeit. Von den 482 verstorbenen Patienten waren 22,9% in der Dexamethasongruppe und 25,7% in der Standardtherapiegruppe mit Placebo.
Je nach Schwere der Erkrankung zeigten sich noch deutlichere Unterschiede. Den größten Vorteil hatten jene schwer erkrankten Intensivpatienten, die mechanisch beatmet werden mussten. Hier lag die 28-Tage-Sterblichkeit in der Verumgruppe bei 29,3%, in der Placebogruppe bei 41,4%, eine Senkung um 35% (Rate Ratio [RR] 0,65; 95%-Konfidenz-Intervall [KI] 0,67-0,96). Auch Patienten, die Sauerstoff benötigten, aber noch nicht invasiv beatmet wurden, profitierten (Sterblichkeit 23,3% vs 26.2%; RR 0,80, 95%-KI 0,67-0,96). Bei Patienten, die keinerlei Atemunterstützung benötigten, zeigte sich kein Vorteil (RR 1,22, 95%-KI 0,86-1,75).
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