Medizin

Dextro­methorphan/Chinidin mindert Agitation bei Morbus Alzheimer

  • Mittwoch, 23. September 2015
Uploaded: 16.05.2012 12:21:35 by mis
dpa

Las Vegas – Die Kombination aus Dextromethorphan und Chinidin, die derzeit zur symptomatischen Behandlung der pseudobulbären Affektstörung zugelassen ist, kann die Agitation von Menschen mit Morbus Alzheimer lindern. Dies kam in einer randomisierten klinischen Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2015; 314: 1242-1254) heraus.

Viele Demenz-Patienten entwickeln eine psychomotorische Unruhe, die ihre Pflege deutlich erschweren kann. Eine effektive medikamentöse Therapie gibt es derzeit nicht, auch wenn jüngst das Antidepressivum Citalopram eine gewisse Wirkung zeigte. Aus Mangel an Alternativen werden in Pflegeheimen viele Patienten mit Antipsychotika „ruhig gestellt“. Dies stößt allerdings zunehmend auf Kritik, weil die Mittel den kognitiven Verfall beschleunigen und die Sterblichkeit der Patienten fördern.

Als „Geheimtipp“ wird derzeit eine Kombination aus dem Antitussivum Dextromethorphan und Chinidin gehandelt. Dextromethorphan wird seit den 1940er Jahren als Hustenmittel angeboten. Es erzielt seine Wirkung am Hustenzentrum des Hirnstamms. Die Kom­bination mit Chinidin blockiert den Abbau und verlängert deshalb die Wirkdauer.

Die Kombination wurde zuerst in den USA eingeführt. Seit 2013 ist sie auch in Europa zur Behandlung der pseudobulbären Affektstörung zugelassen. Dabei handelt es sich um ein vom Patienten nicht zu kontrollierendes Lachen/Weinen, das bei einigen neurologischen Erkrankungen (amyotrophe Lateralsklerose, Multiple Sklerose) auftritt.

Dextromethorphan/Chinidin hat sich hier in einer klinischen Studie als wirksam erwiesen. Das Mittel ist derzeit nur in dieser Indikation zugelassen und wurde wegen möglicher Nebenwirkungen (Verlängerung des QT-Intervalls) und Wechselwirkungen (mit Thioridazin) mit einem Risikomanagementplan versehen.

Der Hersteller hat das Mittel, dessen genaue Wirkweise auf komplexe Verhaltens­störungen wie die Agitation nicht bekannt ist, in einer Phase 2-Studie an 200 Patienten mit Morbus Alzheimer getestet, deren Agitiertheit den Tagesablauf der Pflegeeinrichtung deutlich beeinträchtigt hatte.

In einer ersten Studienphase wurden die Teilnehmer auf Dextromethorphan/Chinidin oder Placebo randomisiert. Im Placebo-Arm wurde nach 6 Wochen eine zweite Randomisierung durchgeführt. Unter den Placebo-Respondern und Nicht-Respondern wurden jeweils die Hälfte mit Placebo weiterbehandelt. Die andere Hälfte wechselte auf Dextromethorphan/Chinidin.

Wie Jeffrey Cummings vom Cleveland Clinic Lou Ruvo Center for Brain Health in Las Vegas und Mitarbeiter berichten, kam es unter der Therapie mit Dextrome­thorphan/Chinidin zu einem signifikanten Rückgang im primären Endpunkt, dem Agitation/Aggression-Score des Neuropsychiatric Inventory (NPI).

Er verbesserte sich nach der ersten Randomisierung unter Dextromethorphan/Chinidin von 7,1 auf 3,8 Punkte, doch auch unter Placebo kam es zu einem Rückgang von 7,0 auf 5,3 Punkte, so dass der Unterschied am Ende nur 1,5 Punkte betrug. Nach der zweiten Randomisierung kam es unter Dextromethorphan/Chinidin zu einer weiteren Verbesserung von 5,8 auf 3,8 Punkte gegenüber einer Verbesserung von 6,7 auf 5,8 Punkte im Placebo-Arm.

Diese Ergebnisse sprechen nach Einschätzung von Anne Corbett vom King’s College London und Mitarbeitern für den Einsatz von Dextromethorphan/Chinidin bei Alzheimer-Patienten mit Agitiertheit. Das Mittel könnte eine sichere Alternative zu den Anti­psychotika sein, meint die Editorialistin, auch wenn Dextromethorphan/Chinidin nicht ohne Nebenwirkungen ist. Dazu gehörten in der Studie Stürze (8,6 Prozent versus 3,9 Prozent unter Placebo), Durchfallerkrankungen (5,9 Prozent versus 3,1 Prozent) und Harnwegsinfektionen (5,3 Prozent versus 3,9 Prozent). Kognitive Beeinträchtigung oder eine Sedierung wurden jedoch nicht beobachtet.

rme

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