Medizin

Diabetes: Studie quantifiziert Ketoazidose-Risiko von SGLT2-Inhibitoren

  • Freitag, 9. Juni 2017

Boston – Unter der Behandlung des Typ 2-Diabetes mit SGLT2-Inhibitoren kann es zu einer Ketoazidose kommen. Die lebensgefährliche Entgleisung des Glukose­stoff­wechsels ist laut einer Datenbank-Analyse im New England Journal of Medicine (2017; 376: 2300-2302) möglicherweise häufiger als bislang angenommen.

SGLT2-Inhibitoren senken den Blutzucker, indem sie die Ausscheidung über die Niere fördern. Der erste Wirkstoff Dapagliflozin wurde Ende 2012 zugelassen, später folgten Canagliflozin und Empagliflozin. Die Mittel gelten als gut verträglich. Nach der Einführung häuften sich jedoch Berichte über Ketoazidosen, eine für den Typ 2-Diabetes ungewöhnliche Komplikation, die durch Übersäuerung des Blutes relativ schnell zum Coma diabeticum fortschreiten kann.

Die US-Arzneibehörde FDA veröffentlichte 2015 eine Warnmeldung, der sich später die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) anschloss. Anlass waren Spontanmeldungen von Ärzten über unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die keine Schätzungen über die Häufigkeit zulassen. 

Um das Risiko besser abschätzen zu können, haben Michael Fralick vom Brigham and Women's Hospital in Boston und Mitarbeiter die Daten von 50.220 Versicherten untersucht, denen ein SGLT2-Inhibitor verschrieben wurde. Als Vergleichsgruppe dienten 90.132 Patienten, denen die Ärzte DPP4-Inhibitoren verordnet hatten, die nicht mit Ketoazidosen in Verbindung gebracht werden. Primärer Endpunkt der Studie war die Zahl der Hospitalisierungen wegen einer Ketoazidose.

Die Analyse beschränkt sich auf die ersten 180 Tage der Verordnung. Fralick ermittelt für die SGLT2-Inhibitoren eine Inzidenz von 4,9 Ereignissen pro 1.000 Personenjahre verglichen mit 2,3 Ereignissen auf 1.000 Personenjahre nach Beginn einer Behandlung mit einem DPP-4-Inhibitor. Die Komplikation war damit doppelt so häufig, obwohl die Anwender von SGLT2-Inhibitoren jünger waren und weniger Begleiterkrankungen hatten. Eine Propensity-Analyse, die 64 Patienteneigenschaften  berücksichtigte, änderte dennoch wenig an den Zahlen. 

Fralick ermittelte eine Hazard Ratio von 2,2, die mit einem 95-Prozent-Konfidenz­intervall von 1,4 bis 3,6 signifikant war. Am höchsten war das Risiko in den ersten 30 Tagen der Verordnung mit 7,5 versus 3,3 Ereignissen pro 1.000 Personenjahre (Hazard Ratio 2,3; 1,1-4,8). In den ersten 60 Tagen kam es zu 5,6 versus 2,3 Ereignissen pro 1.000 Personenjahre (Hazard Ratio 2,5; 1,3-4,7). Das Risiko war auch bei Patienten erhöht, die kein Insulin spritzten. In dieser Gruppe kam es zu 2,5 versus 1,0 Ereignissen (Hazard Ratio 2,5; 1,1-5,5).

Die Ketoazidose wäre demnach insgesamt eine seltene Komplikation, auf die Ärzte bei der Verordnung von SGLT2-Inhibitoren laut Fralick dennoch achten sollten, zumal sie häufig überraschend eintritt und sich anders als beim Typ 1-Diabetes nicht durch hohe Blutzuckerwerte ankündigt.

rme

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