Global Health

Die Drogenpandemie

  • Donnerstag, 5. Juli 2018

Weltweit nahmen im Jahr 2016 275 Millionen Menschen Drogen ein – das war ein Anteil von 5,6 Prozent der Weltbevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren. 31 Millionen Menschen, mehr als 10 Prozent aller Drogenkonsumenten, litten an Erkrankungen und Störungen im Zusammenhang mit der Drogeneinnahme, die behandlungsbedürftig waren. Diese Zahlen aus dem soeben veröffentlichten Weltdrogenbericht der Vereinten Nationen (https://www.unodc.org/wdr2018/) sind erschreckend und sie sollten uns aufrütteln.

Das gesamte Ausmaß des Drogenkonsums ist schwierig zu erfassen, da er sich zu großen Teilen im Verborgenen abspielt und an den Rändern der Gesellschaft, die von vielen bereitwillig und schamhaft übersehen werden. Drogenkonsum findet häufig in den sinisteren Zwischenwelten der Halblegalität und der Illegalität statt, daher sind die Informationen darüber oft unvollständig und unzureichend. Um Drogenanbau, Drogenhandel und Drogenkonsum herum bilden sich oft komplex ineinandergreifende kriminelle Netzwerke und Verbindlichkeiten, die von außen und von Unbeteiligten nur schwer zu ergründen sind.

Cannabis ist die Droge, die am häufigsten konsumiert wird; im Jahr 2016 konsumierten es geschätzt 192 Millionen Menschen. Die Zahlen für die „härteren“ und die synthe­tischen Drogen lagen bedeutend niedriger – natürliche Opioide wurden von 34 Millionen Menschen konsumiert, medikamentöse Opiate wurden von weiteren 19 Millionen ohne medizinische therapeutische Indikation eingenommen, Amphetamine und verschreibungspflichtige Stimulantien von 34 Millionen, Ecstasy von 21 Millionen und Kokain von 18 Millionen Menschen.

Cannabis hat einen besonderen Stellenwert als Einstiegsdroge, denn viele junge Menschen haben über Cannabis einen ersten Kontakt zu illegalen Drogen und gelangen darüber an den Konsum anderer, gesundheitlich weitaus schädlicherer Substanzen mit einem sehr hohen Suchtpotential. Im US-Bundesstaat Colorado, in dem Cannabis mittlerweile wie auch in anderen US-Bundesstaaten legal erhältlich ist, ist der Konsum bei jungen Menschen im Alter von 18-25 Jahren seit der Legalisierung stark angestiegen. Eine ähnliche Entwicklung ist auch andernorts im Zuge der Legalisierung zu beobachten.

Nicht nur der Konsum der Drogen ist gesundheitsschädlich, sondern auch die Produktion und der globale Handel können negative Gesundheitsfolgen haben. Da der Anbau von Opium- und Koka-Pflanzen zu einem sehr großen Teil unter ebenso illegalen Bedingungen, oft in Regionen stattfindet, in denen eine Zentralmacht keine Kontrolle und Macht ausüben kann, sind die Produktionsbedingungen sehr häufig prekär und grundlegende Arbeitnehmerrechte werden nicht beachtet. Gleiches gilt für den klandestinen internationalen Handel auf Schmuggelrouten aus Asien in Richtung Europa oder Zentral- und Mittelamerika in Richtung Nordamerika.

Da die Wege eines Einzelnen in den Drogenkonsum oft komplex und von vielen verschiedenen Faktoren abhängig sind, gibt es keine einfachen Mittel gegen die Drogenpandemie. Sicher, zu einem Teil ist der globale Drogenmarkt angebotsgetrieben und so werden Maßnahmen, die das Durchbrechen von Schmuggleraktivitäten und illegalen Handel zum Ziel haben, einen gewissen Erfolg haben. Ein großer Teil dieses Marktes ist jedoch nachfragegetrieben. Diese Nachfrage wird durch ein vermindertes Angebot nicht geringer, sondern vielmehr steigen die Preise. Dies wiederum kann besonders bei unveränderter Nachfrage unbeabsichtigte negative Konsequenzen haben, denn ein Drogenabhängiger, der seine Droge verzweifelt benötigt, wird auch jeden höheren Preis zahlen und hierfür gegebenenfalls (weitere) beschaffungskriminelle Straftaten begehen.

Die negativen medizinischen Folgen des Drogenkonsums sind nicht nur die direkten Nebenwirkungen und Folgen der Einnahme der Substanzen. Drogenabhänge Menschen rutschen sozial ab, viele verlieren ihre Arbeitsstelle. Intravenöser Drogenabusus geht mit einem sehr hohen Risiko von Infektionserkrankungen einher. Von 11 Millionen Menschen, die intravenöse Drogen konsumieren, sind 1,3 Millionen HIV-infiziert und 5,5 Millionen Menschen mit Hepatitis C. Bedauerlicherweise gibt es in der Mehrzahl aller Länder keine Nadel- und Spritzenprogramme mit dem Ziel, den Süchtigen sterile Injektionsmaterialien zur Verfügung zu stellen; auch Opioid-Substitutionsprogramme gibt es nur in einer geringen Zahl an Ländern.

Im Jahr 2015 starben weltweit geschätzt etwa 450.000 Menschen an den Folgen ihres Drogenabusus; das sind etwa genauso viele Menschen wie an den Folgen einer Malariainfektion starben. Anders jedoch als bei der Malaria gibt es hier keinen Parasiten, keinen Erreger, der sich versteckt und Resistenzen ausbilden kann, vielmehr sind es soziale und wirtschaftliche Faktoren, sowie das verzweifelte Verlangen des Süchtigen, die den Drogenkonsum unterstützen und den Kampf dagegen so schwierig machen.

Dennoch, nur verstärkte Anstrengungen, den Anbau, die Produktion und den Handel der Drogen zu kontrollieren, Aufklärung besonders von Jugendlichen über die negativen Folgen des Drogenkonsums, die Früherkennung von Suchtgefährdeten und Süchtigen und die Etablierung und der Ausbau von Programmen zur Hilfeleistung für diese Personen und vermehrte Anstrengungen zur Bereitstellung von Nadel- und Spritzenmaterial sowie der Aufbau von Substitutionsprogrammen werden helfen, dieser weltweiten Epidemie etwas entgegenzusetzen und die dramatisch hohen Todeszahlen zu reduzieren.

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung