Digitalisierung: Charité-Chef für neue Finanzierungsmodelle

Wiesbaden – Die Finanzierung der Digitalisierung im Gesundheitswesen sollte auf neue Füße gestellt werden. Und auch beim Datenschutz gibt es Handlungsbedarf. Das wurde heute beim 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) deutlich.
Bislang sei die Digitalisierung im Gesundheitswesen zumeist rein projektbezogen finanziert worden – dies müsse in andere, verstetigte Finanzierungsmodelle überführt werden, sagte Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Er verwies unter anderem auf die Abhängigkeit Deutschlands von im Ausland gesammelten Daten zur Coronapandemie. Angesichts der bestehenden Herausforderungen, etwa aufgrund des demografischen Wandels, sei eine „konsequente Digitalisierung“ notwendig.
„Digitalisierung bekommen wir nicht zum Nulltarif, und gerade in den ersten Jahren der digitalen Transformation ist mit einem hohen Investitionsbedarf zu rechnen“, so Kroemer. Die Schaffung und der Einsatz von digitalen Infrastrukturen zur Erhebung und Verarbeitung von Daten in hoher Qualität müssten eine eigene Finanzierung erhalten.
Der Umgang mit Daten und mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Gesundheitswesen sei dringend verbesserungswürdig, betonte Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am LMU Klinikum München. Auf der rechtlicher Ebene stelle dies eine der „dringlichsten Baustellen“ dar, erklärte der DGIM-Kongress-Präsident.
„Denn anstatt Patientendaten vor Missbrauch zu schützen, verhindern wir tatsächlich den Zugang und die Nutzung der Daten.“ Dies führe teils zu absurden Situationen und gefährde im äußersten Fall sogar Menschenleben, sagte Lerch. Die DSGVO dürfe nicht die Kommunikation der Ärzteschaft zum Nachteil der Patienten behindern.
Statt auf Zugriffsblockaden zu setzen, müsse, wie in anderen Ländern, stattdessen der Zugriff dokumentiert und – im Falle eines Missbrauchs – bestraft werden, so Lerch. Dass bei von Steuergeldern finanzierten Studien teils Daten nicht mehr für andere als die ursprünglichen Fragestellungen ausgewertet werden dürften, oder sogar nach einer Frist vernichtet werden müssten, sei eine Verschwendung wissenschaftlicher, menschlicher und wirtschaftlicher Ressourcen, so der DGIM-Vorsitzende.
Diesbezügliche Anpassungen seien hochdringlich – das zeigten auch die in der Coronapandemie gesammelten Erfahrungen. Die wichtigsten Forschungsergebnisse seien aufgrund der DSGVO-Auslegung eben nicht aus Deutschland gekommen.
Auch das Prinzip der Datensparsamkeit sei kontraproduktiv, wenn es um klinische Daten einzelner Patienten oder um medizinische Daten aus klinischen Studien gehe, bei Krankheitsregistern oder bei populationsbasierten epidemiologischen Untersuchungen.
Grundsätzlich seien die Beweggründe für das Sammeln und den Austausch von Daten zwischen Medizinern andere als bei Google, Amazon oder der Schufa. Die DSGVO berücksichtige diesen Unterschied nicht.
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