Politik

Diskussion über investorenbetriebene medizinische Versorgungszentren hält an

  • Donnerstag, 13. November 2025
/picture alliance, SZ Photo, Florian Peljak
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Berlin – Gesundheitsexperten haben gestern im Gesundheitsausschuss über die Vorschläge der Grünen-Fraktion zur Regulierung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) diskutiert.

In einem Antrag hatten die Grünen die Bundesregierung dazu aufgefordert, die gesetzlichen Regelungen zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu reformieren. Sie kritisieren, dass die Regierung trotz Ankündigung im Koalitionsvertrag sowie „großer Dringlichkeit und wiederholter Appelle aus der Ärzteschaft“ dem Thema bislang keine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet hat.

Sorgen bereiten den Antragstellern vor allem die Zunahme investorenbetriebener medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) und die mangelnde Transparenz über die Inhaberschaft von MVZ. Der Renditedruck durch kurze Anlagehorizonte und ein häufiger Eigentümerwechsel könnten dem Ziel einer langfristigen guten Gesundheitsversorgung entgegenstehen, heißt es im Antrag der Grünen. Ärztinnen und Ärzte werde die Niederlassung erschwert.

Die investorengetriebene Fokussierung auf lukrative Eingriffe und Behandlungen gefährde eine qualitativ hohe Versorgung und könne zu einem Autonomieverlust der in iMVZ Angestellten beitragen. „Mangelnde Transparenz und veraltete Daten erschweren derzeit einen vollständigen Überblick über die Verbreitung von iMVZ und über die dazugehörige Marktdynamik in Deutschland“, heißt es in den Forderungen.

Die Zahlen wiesen insgesamt jedoch auf einen „Trend zu steigenden Übernahmen durch Private-Equity-Gesellschaften bzw. zur Bildung von MVZ-Ketten insbesondere in Bereichen mit hohen Gewinnmargen“ hin. Um eine bedarfsgerechte Versorgung und Qualitätssicherung zu gewährleisten, ist es den Grünen zufolge dringend erforderlich, die Regelungen zur Offenlegung der Trägerstrukturen und wirtschaftlich Berechtigten zu überarbeiten.

Sie schlagen unter anderem vor, die Transparenz über die Besitzverhältnisse von MVZ zu erhöhen, die autonome Berufsausübung der in MVZ Beschäftigten sicherzustellen und die Gründung von MVZ in kommunaler Trägerschaft zu vereinfachen, um die ambulante Versorgung auch in Gebieten mit drohender Unterversorgung zu gewährleisten.

Die Sachverständigen äußerten sich dazu in der gestrigen Anhörung und im Vorfeld in umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen. Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt die vorgeschlagene Reformierung der Grünen ausdrücklich und verweist dabei auch auf eigene Positionspapiere, die zum Thema veröffentlicht wurden.

„Aus Sicht der Bundesärztekammer ist eine klare gesetzliche Regelung notwendig, die Transparenz schafft und Fehlentwicklungen verhindert – ohne MVZ als Modell der Versorgung grundsätzlich zu entwerten“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme.

Besonderen Regulierungsbedarf sieht die BÄK in der Eigentümerschaft von MVZ durch fachfremde Investoren. Diese seien „mit erheblichen Risiken behaftet“. Der Antrag der Grünen liefere dazu zielführende und sachgerechte Vorschläge.

Bislang sei keine ausreichende Transparenz über die Inhaberschaft gegeben und es müssten händische, ausufernde Recherchen erfolgen, um einen Eindruck von der Trägerschaft der MVZ zu erhalten, unterstrich Julia Searle aus dem BÄK-Dezernat Politik und Kommunikation, zuständig für Versorgungs- und Gesundheitssystemanalyse, in der Anhörung.

Dies stelle nicht nur ein Problem für Patienten dar, die ein Recht darauf hätten, zu erfahren, bei wem sie sich in Behandlung begäben. Auch Ärztinnen und Ärzte müssten wissen, bei wem ihre Patienten in Behandlung seien. Zusätzlich erschwerten fehlende Daten die Versorgungsforschung. Es sei wichtig, dass nicht nur die Träger hinter den MVZ bekannt seien, sondern dass die Eigentumsstrukturen vollständig erfasst würden, so Searle.

Ärztliche Leiter stärken

Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) bewertete die Vorschläge der Grünen ebenfalls positiv und sprach sich für eine Regulierung von MVZ aus. Sie seien zu einem wichtigen Bestandteil der ambulanten Versorgung geworden, weshalb Fehlentwicklungen unterbunden werden müssten.

Der Verband befürwortet eine Trägervielfalt in der vertragsärztlichen Versorgung. Dafür müssten Zulassungen und Nachbesetzungen geprüft und bei Gefährdung der Trägervielfalt abgelehnt werden, erklärte Julian Dilling aus dem Referat Bedarfsplanung, Psychotherapie und Neue Versorgungsformen im GKV-Spitzenverband.

Wichtig sei zudem, dass die Rolle der ärztlichen Leiter gestärkt werde, dass ökonomische Interessen medizinische Entscheidungen nicht überlagerten und damit das Leistungsspektrum eingeschränkt werde. Der GKV-SV warnte vor Monopolbildungen in einzelnen Regionen.

Wenn alle Praxen in einer Region zu einer Private-Equity-Gesellschaft gehörten, gebe es für die Patienten keine freie Arztwahl mehr, sagte auch Searle. Bei einer Fokussierung auf lukrative Leistungen komme es in bestimmten Gebieten rasch zu einem Überangebot.

Aus der Versorgung erhalte die BÄK Rückmeldungen, dass Ärztinnen und Ärzte teils erheblich unter Druck gesetzt würden, bestimmte wirtschaftliche Ziele zu erreichen, berichtete sie. Dies stehe im Konflikt mit dem ärztlichen Berufsethos und bringe das Gesundheitssystem langfristig aus dem Gleichgewicht.

Hinzu komme der Schaden für die Solidargemeinschaft: Das Geld, das die Investoren erwirtschafteten, stamme letztlich von den Beitragszahlern der GKV. Es sei deshalb wichtig, die Verträge der ärztlichen Leiter einer Prüfung zu unterziehen, um Bonusverträge mit wirtschaftlicher Zielvereinbarung auszuschließen. Dies schlagen auch die Grünen in ihrem Antrag vor.

Zusätzlich sollte es der BÄK zufolge möglich sein, MVZ zu belangen und ihnen die Zulassung zu entziehen, wenn Ärztinnen und Ärzte nicht ihre berufsrechtlichen Pflichten erfüllen können. Auch dies fordern die Grünen in ihrem Antrag. Überprüft werden soll laut BÄK auch, dass in MVZ alle Kernleistungen erbracht werden. „Es braucht ein zusätzliches Maßnahmenpaket, um die ärztliche Unabhängigkeit zu sichern“, so Searle.

Andere Vorstellungen zur Regulierung

Etwas anders bewerten die Vorschläge der Grünen der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV) und der Bundesverband Medizinischer Versorgungszentren (BMVZ).

Der BBMV stimmt zwar der geforderten Begrenzung von Sicherheitsleistungen für Kommunen, der Beauftragung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Erstellung eines Gutachtens zu den Zusammenhängen von Trägerschaft und Leistungsgeschehen und der Streichung der Konzeptwerbung zu.

Bei den Vorschlägen zur Stärkung der Transparenz und der Überprüfung der Versorgungsaufträge komme es jedoch auf die Ausgestaltung an, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme. Alle weiteren Forderungen lehnt der BBMV ab. Der Antrag der Grünen stimme im Wesentlichen mit den Forderungen aus dem Positionspapier der BÄK von 2023 überein, das der BBMV bereits „umfassend geprüft und vielfach als verfassungswidrig bzw. rechtlich nicht umsetzbar bewertet“ habe.

Der Antrag sei zu einem großen Teil von einer ablehnenden Sichtweise geprägt, er sei realitätsfern und lasse „die praktischen Gegebenheiten der ambulanten Versorgung unberücksichtigt“, so der BBMV. Aus Sicht des Verbands besteht in Hinblick auf Träger- und Inhaberstrukturen von MVZ kein Handlungsbedarf.

Die in Auftrag gegebenen Gutachten hätten damals gezeigt, dass es keinen Hinweis darauf gebe, dass MVZ mit privaten, nicht ärztlichen Kapitalgebern zu einer schlechteren Versorgung beitrügen, sagte Sibylle Stauch-Eckmann, Vorsitzende des BBMV, in der Anhörung.

Den Vorwurf, Ärztinnen und Ärzte in iMVZ müssten bestimmte wirtschaftliche Ziele erreichen, wies sie entschieden zurück und machte auf die in der Berufsordnung verankerte ärztliche Unabhängigkeit aufmerksam.

Ein wesentliches Problem sei, dass es keine einheitliche Definition von Investoren gebe. Damit sei unbekannt, wer überhaupt als solcher gezählt werden könne. Fehlende Daten zu iMVZ verzerrten darüber hinaus die Wahrnehmung, die Unschärfe der Diskussion führe zu Missverständnissen, sagte Stauch-Eckmann.

Um eine Grundlage für eine faktenbasierte Diskussion herzustellen, begrüße der BBMV eine Änderung der Zulassungsverordnung und eine Modernisierung des Arztregisters. Wichtig sei dem Verband zudem, dass es weiterhin eine Trägervielfalt gebe und diese auch in Zukunft beibehalten werde.

Der BMVZ forderte eine Versachlichung der Debatte und eine Lösung von bislang überwiegend destruktiven Konzepten. Die Vorschläge der Grünen zur Regulierung von MVZ könnten teils nicht mit der Realität der vertragsärztlichen Versorgung in Einklang gebracht werden. Es müsse ein anderer Weg gefunden werden, wie eine Gruppe von MVZ-Trägern aus der Versorgung herausgehalten werden könne.

Susanne Müller, Geschäftsführerin des BMVZ, befürwortete die Stärkung ärztlicher Inhaber und wies darauf hin, dass an der Nachbesetzung von MVZ dringend nachgeregelt und der Prozess von bürokratischen Hürden beseitigt werden müsse.

nfs

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