Dubiose Tipps für besseren Schlaf: Der „Sleepmaxxing“-Trend auf Tiktok und Co.

Washington – Nächtliche Mundpflaster, Kiwis vor dem Schlafengehen oder mit einem Gürtel unter Kinn und Nacken durch die Luft schwingen: Obskure Tipps, die angeblich für den perfekten Schlaf sorgen, werden millionenfach in Onlinediensten wie Tiktok verbreitet.
Unter dem Sammelbegriff „Sleepmaxxing“ (in etwa: den Schlaf optimieren) schüren Influencer dabei eine wachsende Obsession. Doch nicht alle kursierenden Empfehlungen sorgen tatsächlich für erholsame Nachtruhe: Hinter dem Trend verbergen sich viele dubiose Behauptungen ohne jede wissenschaftliche Grundlage – die zum Teil sogar tödlich enden können.
Eines der vermeintlichen Wundermittel gegen Schlaflosigkeit ist das sogenannte „Neck Swinging“, das insbesondere in chinesischen Onlinediensten populär wurde: Dabei hängen sich Menschen mit gepolsterten Gürteln unter dem Kinn und am Nacken in die Luft und lassen ihre Körper hin- und herschwingen.
„Diejenigen, die es ausprobieren, behaupten, dass sich ihre Schlafprobleme deutlich verbessert haben“, heißt es in einem mehr als elf Millionen Mal aufgerufenen Video im Onlinedienst X – Beweise dafür gibt es nicht. Im Gegenteil.
Seit ein chinesischer Staatssender mindestens einen Todesfall im Zusammenhang mit dem „Neck Swinging“ meldete, schlagen Experten Alarm. Dies sei ein gutes Beispiel dafür, „wie Onlinemedien das Absurde normalisieren können“, sagte der auf Falschinformationen spezialisierte Experte Timothy Coulfield von der Universität Alberta in Kanada. „Sleepmaxxing“-Routinen wie diese seien „lächerlich, potenziell schädlich und ohne wissenschaftliche Grundlage“.
Eine weitere beliebte Praxis unter Schlafoptimierern ist das „Mouth Taping“, das nächtliche Zukleben des Mundes mit einem speziell entwickelten Pflaster. Zahlreiche Influencer empfehlen ein solches Pflaster zur Förderung der Nasenatmung. Demnach sorge das „Mouth Taping“ für besseren Schlaf, fördere die Mundgesundheit und verringere Schnarchen – auch diese Angaben bleiben ohne jede Beweise.
Eine Untersuchung der US-Universität George Washington kam vielmehr zu dem Schluss, dass diese Behauptungen wissenschaftlich nicht belegt werden können. Medizinische Fachleute warnen zudem, dass das nächtliche Zukleben des Mundes gefährlich sein könnte – insbesondere für Menschen, die an Schlafapnoe leiden.
Weitere von „Sleepmaxxing“-Influencern angepriesene und wissenschaftlich unbelegte Tipps für besseren Schlaf reichen vom Verzehr von zwei Kiwis direkt vor dem Zubettgehen, über Gewichtsdecken bis hin zum Tragen von blau und rot gefärbten Brillengläsern.
„Einige dieser Tipps mögen für Menschen, die grundsätzlich gut schlafen, harmlos sein“, sagt die britische Schlafexpertin Kathryn Pinkham. Doch für Menschen mit tatsächlichen Schlafproblemen könnten viele der geteilten „Sleepmaxxing“-Ratschläge „aktiv hinderlich oder sogar schädlich sein“.
Ausreichender Schlaf gilt zwar zu recht als Grundpfeiler einer guten Gesundheit. Doch warnen Experten, dass „Sleepmaxxing“ zu einer übermäßigen, obsessive Beschäftigung mit dem perfekten Schlaf führen könnte: Laut Pinkham wird schlechter Schlaf oft durch die „Angst, ihn zu beheben“ verstärkt – eine Tatsache, die von „Sleepmaxxing“-Influencern weitgehend ignoriert werde. „Je mehr wir versuchen, den Schlaf mit Tricks oder starren Routinen zu kontrollieren, desto wachsamer und gestresster werden wir“, sagt Pinkham.
Einige „Sleepmaxxing“-Influencer versuchen zudem, von der wachsenden Beliebtheit des Trends finanziell zu profitieren, indem sie Produkte, wie Mundpflaster, schlaffördernde Getränkepulver und „Sleepmax-Gummibärchen“ mit Melatonin bewerben. Die US-Akademie für Schlafmedizin rät jedoch von Melatonin zur Behandlung von Schlaflosigkeit bei Erwachsenen ab und verweist auf widersprüchliche medizinische Erkenntnisse hinsichtlich dessen Wirksamkeit.
Unabhängig vom konkreten Tipp: Bei wirklichen Schlafproblemen sollte nach Angaben von Experten immer ein Arzt aufgesucht werden. „Sleepmaxxing“-Tipps könnten das Problem dagegen verstärken. „Für Menschen mit echten Schlafproblemen bedeutet diese Art von Ratschlägen oft eher zusätzlichen Druck als Erleichterung“, erklärt Pinkham.
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