E-Health-Gesetz: Regierung verabschiedet Gesetzentwurf

Berlin – Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter voranzubringen, hat das Bundeskabinett am Mittwoch den Gesetzentwurf für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) beschlossen. Der Gesetzentwurf geht jetzt in die parlamentarische Abstimmung. Der Entwurf enthält konkrete Fristen für den weiteren Ausbau der Vernetzung und für elektronische Anwendungen und sieht dabei neben Anreizen auch Sanktionen vor, wenn die Zeitpläne nicht eingehalten werden.
„Viel zu lang wurde schon gestritten. Jetzt gehört endlich der Patient und der konkrete Nutzen der elektronischen Gesundheitskarte für den Patienten in den Mittelpunkt. Deshalb machen wir Tempo durch klare gesetzliche Vorgaben, Fristen und Anreize, aber auch Sanktionen, wenn blockiert wird“, erklärte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Der Nutzen für die Patienten sei enorm, etwa wenn nach einem Unfall der Arzt überlebenswichtige Notfalldaten sofort von der Gesundheitskarte abrufen könne.
Erweiterte Möglichkeiten der Gesundheitskarte und höchste Datensicherheit müssten dabei Hand in Hand gehen, da es um höchstpersönliche Daten der Patienten gehe, betonte Gröhe. „Ich freue mich, dass die Bundesdatenschutzbeauftragte ausdrücklich erklärt hat, dass die elektronische Gesundheitskarte den Datenschutz in Deutschland verbessert. Es geht dabei um ein doppeltes Sicherheitssystem. Nur wenn die Gesundheitskarte des Patienten und der Heilberufsausweis des Arztes zusammenkommen, werden die Informationen weitergegeben. Das ist ein bestmöglicher Schutz der Daten.“
Vergütung für den Medikationsplan
Unter anderem sieht der Gesetzentwurf vor, dass Patienten, denen mindestens drei Medikamente gleichzeitig verordnet werden, ab Oktober 2016 einen Anspruch auf einen papierbasierten Medikationsplan haben, der mittelfristig auch über die eGK abrufbar sein soll. Im Referentenentwurf von Mitte Januar sollte dieser Anspruch erst ab fünf verordneten Medikamenten geltend gemacht werden können. Neu im Kabinettsentwurf ist zudem die Regelung, dass Ärzte, die einen Medikationsplan erstellen und aktualisieren, hierfür eine Vergütung erhalten sollen. Dies hatte insbesondere die Bundesärztekammer gefordert. Den Medikationsplan kann zudem nicht mehr ausschließlich der Hausarzt als verantwortliche Instanz ausstellen, sondern diese Verantwortung wurde auf die Fachärzte ausgeweitet.
Ebenfalls überarbeitet wurden die Passagen zu den Nutzungsmöglichkeiten des Notfalldatensatzes: Danach können Versicherte ihre notfallrelevanten medizinischen Daten auf der eGK auch zur Unterstützung ihrer Behandlung in der Regelversorgung bereitstellen, etwa beim Einholen einer Zweitmeinung oder bei Wechsel des Hausarztes. In diesem Fall muss nachprüfbar protokolliert werden, dass der Datenzugriff mit Einverständnis des Versicherten erfolgt, wohingegen in der Notfallsituation ein Zugriff auf den Notfalldatensatz auch ohne eine Autorisierung des Versicherten zulässig ist. Die mit der Erstellung eines Notfalldatensatzes verbundene ärztliche Dokumentationsleistung soll ab dem 1. Januar 2018 vergütet werden.
Gematik erhält einen Beirat
Eine weitere Neuerung gegenüber dem Referentenentwurf ist die Verpflichtung der Gematik, einen Beirat einzurichten, der vor Beschlüssen „zu Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung“ anzuhören ist. Dem Beirat sollen neben Vertreter der Länder insbesondere auch Patientenvertreter, Wissenschaftler, Vertreter aus IT-Branchenverbänden sowie die Bundesdatenschutzbeauftragte und der Patientenbeauftragte der Bundesregierung angehören.
Weitere wichtige Regelungen:
Ein Online-Abgleich der Stammdaten des Versicherten auf der eGK mit den bei der Krankenkasse vorliegenden Angaben soll ab dem 1. Juli 2016 flächendeckend eingeführt werden. Hierfür erhalten teilnehmende Ärzte einen Vergütungszuschlag. Ärzte, die nicht an der Online-Prüfung der Versichertenstammdaten teilnehmen, müssen ab dem 1. Juli 2018 pauschale Kürzungen der Vergütung hinnehmen.
Ärzte, die Arztbriefe sicher elektronisch übermitteln, sollen 2016 und 2017 eine Vergütung von 55 Cent pro Brief erhalten. Krankenhäuser, die ab dem 1. Juli 2016 Entlassbriefe elektronisch verschicken, sollen eine Vergütung von einem Euro je Brief erhalten. Ab 2018 sollen elektronische Briefe nur noch bezahlt werden, wenn für die Übermittlung die Telematikinfrastruktur genutzt wird.
Telemedizinkonsile bei der Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen sollen ab 1. April 2017 vergütet werden.
Kosten: Die Mehrbelastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Gesetz wird für das Jahr 2016 auf einen unteren zweistelligen Millionenbetrag, in 2017 auf einen hohen zweistelligen bis unteren dreistelligen Millionenbetrag und ab 2018 auf einen unteren dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.
Erste Stellungnahmen
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, lobte die vom Gesetzgeber vorgesehene Kopplung verschiedener Netze im Rahmen der Telematikinfrastruktur. Aus Sicht der Ärzte ist jedoch weiterhin zu bemängeln, dass nach dem Regierungsentwurf die Online-Aktualisierung der Versichertenstammdaten in den Arztpraxen stattfinden soll. „Beim Versichertenstammdaten-Abgleich handelt es sich eigentlich um eine ureigene Verwaltungsaufgabe der Krankenkassen“, so der KBV-Chef.
Zudem müsse bezweifelt werden, dass bei den künftigen Herausforderungen die Industrie in der Lage sei, ihre Aufgaben zeitgerecht zu erledigen. Daraus folgende Verzögerungen dürften nicht einzelnen Beteiligten wie etwa den Ärzten angelastet werden, indem etwa die Haushalte der beteiligten Körperschaften sanktioniert würden.
Aus Sicht der Bundesärztekammer (BÄK) ist zu bemängeln, dass der Kabinettsentwurf teilweise die Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten und auch dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten nicht ausreichend Rechnung trägt. „Wenn wir in Zukunft elektronisch im Gesundheitswesen kommunizieren wollen, dann sollten Arztbriefe wie in der Papierwelt auch durch einen Arzt unterschrieben werden“, stellte Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Telematikausschusses der BÄK, fest. Dies sehe das E-Health-Gesetz jedoch offensichtlich nicht vor.
Auch an den Regelungen zum Notfalldatensatz übte die BÄK Kritik. Während das von ihr ausgearbeitete Notfalldatenkonzept primär auf die Versorgung von Notfällen ausgerichtet ist, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers jetzt mehr als ein Dutzend weiterer Berufsgruppen – etwa auch Masseure, medizinische Bademeister, Diätassistenten – zum Zwecke der regelhaften Versorgung auf die Daten zugreifen können. „Wenn der Gesetzgeber nun den Notfalldatensatz kurz vor der Ziellinie in eine kleine Patientenakte umdeutet, dann muss der Zugriff dieser Berufsgruppen zwingend mit einem PIN-Schutz versehen werden“, forderte Bartmann. Mit der Eingabe der PIN könne der Patient dann autonom entscheiden, ob er einen Zugriff auf seine Daten gewähren wolle oder nicht.
Sachverstand der Ärzte unverzichtbar
„Eigentlich müsste bei dem ganzen Projekt gelten: Die Kassen und damit die Beitragszahler sind diejenigen die bezahlen, also sind sie auch diejenigen, die bestimmen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist aber weder nach der bisherigen noch nach der neuen Gesetzeslage der Fall.“
Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums entgegnete darauf, der Kassenverband habe bereits die Hälfte der Gematik-Anteile, die andere Hälfte liege bei den Organisationen der Leistungserbringer. Der Sachverstand etwa der Ärzte insbesondere bei der Gestaltung von medizinischen Anwendungen, sei unverzichtbar.
Für Jürgen Graalmann, den Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbands, ist es unverständlich, „dass Ärzte noch zusätzliches Geld fürs E-Mail-Lesen und -Versenden kassieren sollen – nachdem ihre Funktionäre Jahre lang auf der Bremse standen“.
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink kritisierte das Gesetz als „Turbo für Geschäftemacher“: Konkrete Ideen, wie Patienten die Hoheit über die sie betreffenden Gesundheitsdaten bekommen können, enthalte der Gesetzentwurf nicht.
Kathrin Vogler, Fraktion DIE LINKE, sagte: „Die e-Card verschlingt Milliarden Euro und gefährdet höchst sensible Daten der Versicherten.“ Sie solle mit Zuckerbrot und Peitsche durchgedrückt werden.
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