Ebola: Wie hoch ist das Ansteckungsrisiko?

Oxford – Die erste Übertragung des Ebola-Virus in Europa könnte Ängste in der Bevölkerung wecken. Doch die Experten sind überzeugt, dass eine Epidemie wie in Westafrika in Europa nicht möglich ist. Die wissenschaftliche Datenlage zum Übertragungsrisiko ist jedoch gering.
Wie die spanischen Medien berichten, hat sich eine 40-jährige Pflegehelferin des Hospital Carlos III in Madrid mit Ebola infiziert. Sie gehörte zu einem Team von 30 Personen, die den Missionar Manuel García Viejo betreuten, der drei Tage vor seinem Tod am 25. September nach Spanien transportiert und in der Klinik behandelt wurde. Die Pflegehelferin soll den Kranken nur zweimal besucht haben – und dabei Schutzkleidung getragen haben. Wie sie sich infiziert hat, ist derzeit Gegenstand einer Untersuchung.
Die Rekonstruktion der Infektion kann schwierig sein. Die Krankenpflegerin Nancy Writebol, die sich in einer Klinik in Liberia infiziert hat, kann sich an kein Ereignis erinnern, bei dem sie sich angesteckt haben könnte. Auch die Ärzte Kent Brantly und Senga Omeonga sagten gegenüber Science, dass sie im Kontakt mit Ebola-Kranken stets Schutzkleidung getragen hätten.
Wobei das „light PPE“ (personal protective equipment), das Omeonga erwähnte, sicherlich nicht den hiesigen Anforderungen für eine Schutzkleidung entspricht. OP-Kittel, Handschuhe und Gesichtsmaske gelten nicht als ausreichender Schutz. Die Richtlinie 89/686/EWG fordert für den Einsatz gegen tödliche Gefahren Handschuhe und Überhandschuhe, Schutzbrille, FFP3-Maske, Schutzanzug mit Kapuze und Überschuhe, wobei Handschuhe, Brille und Maske mit Klebeband fixiert werden sollen. Brantly vermutet, dass er sich auf der Notfallaufnahme außerhalb der Ebola-Station angesteckt hat. Dort hatte er auch Kontakt zu Patienten, die ihre Ebola-Infektion aus (berechtigter) Angst vor einer Zurückweisung verschwiegen hatten.
Diese Rahmenbedingungen treffen auf Europa ganz sicher nicht zu. Stephan Günther vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg weist auf der Internetseite seines Instituts darauf hin, dass zweimal Epidemien mit dem Marburg-Virus, dem „Schwestervirus von Ebola“ verhindert werden konnten.
Das Marburg-Virus trat erstmalig 1967 in Deutschland auf. Labormitarbeiter in Marburg hatten sich an erkrankten Affen infiziert, die aus Afrika importiert worden waren. Damals habe es einige wenige Übertragungen auf Familienangehörige gegeben, schreibt Günther. Doch obwohl die Krankheit damals noch völlig unbekannt war, konnte die Übertragungskette in kürzester Zeit unterbrochen werden.
Auch eine Touristin aus den Niederlanden, die sich vor fünf Jahren in einer Höhle in Uganda mit dem Marburg-Virus infizierte und nach ihrer Rückkehr nach Europa erkrankt war, habe das Virus weder auf Familienangehörige noch auf medizinisches Personal übertragen, obwohl die Diagnose erst eine Woche nach Krankheitsbeginn gestellt worden sei. Die Frau hatte laut Günther zu Krankheitsbeginn übliche soziale Kontakte und war im Krankenhaus zunächst ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen versorgt worden. Der Ebola-Experte weist darauf hin, dass die Verbreitung von Ebola auf „sehr spezifische kulturelle und soziale Bedingungen“ in Afrika zurückzuführen sei.
Die Centers for Disease Control and Prevention zählen 34 Ausbrüche, seit das Virus 1976 zum ersten Mal in der Nähe des Ebola-Flusses in Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, entdeckt wurde. Dennoch gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien zur Infektiosität von Körperflüssigkeiten (was mit dem Risiko der Probenasservierung zusammenhängen mag).
Science zitiert eine Studie, die vor sieben Jahren im Journal of Infectious Diseases (2007; 196: S142-7) publiziert wurde. Damals hatten Forscher der Tulane School of Public Health and Tropical Medicine in New Orleans 54 klinische Isolate von 26 Patienten untersucht, die im Jahr 2000 während einer Epidemie in Gulu/Uganda erkrankt waren.
Die Virusgene wurden mittels Polymerasekettenreaktion damals in acht von zwölf Speichelproben, zwei von vier Stuhlproben und in einem von acht Hautabstrichen (Haut oder Stirn) nachgewiesen. Jeweils ein untersuchtes Isolat aus Tränenflüssigkeit und Nasenblutung war positiv, ebenso eine Muttermilchprobe. Virusgene wurden auch in 14 von 38 Spermaproben von akut Erkrankten gefunden. In 2 von 16 Fällen waren die Gene auch noch nach der Genesung im Ejakulat nachweisbar.
Die Forscher konnten damals die Virusgene auch auf blutverschmierten Handschuhen der Ärzte und an einem intravenösen Zugang nachweisen. Aufgrund der geringen Anzahl der untersuchten Proben ist die Aussagekraft der Studie gering. Laut Science ist sie aber die bisher detaillierteste Studie zum Nachweis von Viren in Körperflüssigkeit und Umgebung. Eine weitere Untersuchung im Journal of Infectious Diseases (1999; 179 Suppl 1: S36-47) wies Virusantigene in der Haut in der Nähe der Schweißdrüsen nach, was den Schluss nahelegt, dass das Virus durch Berührung der Haut übertragen werden könnte, beispielsweise beim Waschen des Leichnams.
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