Politik

Elektronische Patientenakte: Lauterbach kündigt Ausweitung der Testphase an

  • Dienstag, 8. April 2025
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) /picture alliance, Henning Kaiser
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) /picture alliance, Henning Kaiser

Berlin – In den kommenden Wochen soll die elektronische Patientenakte (ePA) in eine „Hochlaufphase“ außerhalb der Modellregionen eintreten können. Das erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute in Berlin auf der Digitalmesse DMEA.

Damit soll die nächste Stufe der Testung der ePA außerhalb der drei Modellregionen Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen möglich und breiter aufgesetzt werden. Die Nutzung für Ärztinnen und Ärzte werde zunächst freiwillig bleiben.

Auch die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen hinsichtlich der ePA-Nutzung werde mit bedacht, kündigte er an. Schon vor einiger Zeit wurden etwa Probleme beim Datenschutz für Jugendliche unter 15 Jahren bekannt, die in den Praxen auftreten könnten.

Seit Mitte Januar testen etwa 300 Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäuser die ePA. Die Erfahrungen sind unterschiedlich, jedoch warnten die Teilnehmenden aufgrund technischer Probleme vor einem zu frühen bundesweiten Start. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kündigte einen bundesweiten Roll-out zuletzt für den Beginn des zweiten Quartals, also ab April, an.

Die Verpflichtung der Ärztinnen und Ärzte zur Nutzung und Befüllung der ePA werde erst später kommen und zu einem noch späteren Zeitpunkt dann Sanktionen, so Lauterbach heute. Niemand solle für etwas bestraft werden, das er selbst nicht unter Kontrolle habe. Wenn etwa die PVS-Systeme bei der Einführung nicht richtig funktionieren würden, dürften Ärztinnen und Ärzte dafür nicht bestraft werden.

Für die Einführung der ePA würden weitere Vorgaben gelten. „Sicherheit geht immer vor“, betonte Lauterbach. „Keine ePA, wenn wir Sicherheitsprobleme haben.“ Die Probleme, auf die der Chaos Computer Club Ende vergangenen Jahres aufmerksam gemacht hatte, hätten hingegen gelöst werden können, so Lauterbach.

Weiteres Vorgehen soll abgestimmt werden

Zudem werde die nächste Stufe erst eingeführt, wenn die ePA gründlich getestet worden sei, erläuterte er. Dazu stimme sich das BMG mit allen Praktikern, unter anderem mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Krankenkassen ab.

Er sei aber mit der Testphase bislang sehr zufrieden. Rund 70 Millionen Akten von gesetzlich Versicherten seien angelegt worden, die Widerspruchsquote liege bei etwa fünf Prozent, so Lauterbach.

Etwa 280.000 ePA würden pro Woche geöffnet, erklärte er. Und rund 3,5 Millionen E-Rezepte würden jeden Tag in die ePA fließen und dabei helfen, die elektronischen Medikationslisten aufzubauen. Die Ziele, die man sich für die Auswertung der Testphase gesetzt habe, würden zudem meist erreicht, so Lauterbach weiter.

Derzeit bereite das BMG zudem weitere Anwendungen hinsichtlich der ePA vor, etwa die Patientenkurzakte und die digitalen Laborbefunde, erläuterte Lauterbach weiter.

Er zeigte sich überzeugt, dass mithilfe der ePA die Medizin deutlich besser werde und gleichzeitig Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden könnten. Denn mit der ePA könnten die medizinischen Daten von Millionen Versicherten nun großflächig für die Forschung genutzt werden.

Forschungsdatenzentrum soll im Sommer starten

Hierfür wird am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gerade das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) aufgebaut. Diesen Sommer werde das FDZ starten, kündigte heute Steffen Heß, Leiter des FDZ Gesundheit, an.

Ursprünglich war vorgesehen, dass das Zentrum im Herbst 2024 starten sollte. Um die Forschung zu unterstützen, müsse man mit den Daten sorgsam umgehen, entgegnete Heß auf die Nachfrage nach der Verspätung. Man werde mit dem Forschungsdatenzentrum starten, sobald die Systeme stabil liefen und man sicher sein könne, dass damit auch Forschung ermöglicht werden könne.

„Die Erfahrungen der ersten Nutzung der elektronischen Patientenakte im Zuge der Erprobung in den drei Modellregionen haben zahlreiche technische Verbesserungsnotwendigkeiten offengelegt, sodass eine bundesweite verbindliche Einführung derzeit unvertretbar wäre“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt.

Er bezeichnete es als „folgerichtig“, die Erprobung in den Modellregionen weiterzuführen, bis die zu Tage getretenen Probleme behoben sind. Eine Ausweitung der Erprobung findet die Unterstützung der BÄK. „Wir plädieren aber dafür, den Einsatz der elektronischen Patientenakte auf freiwilliger Basis erst nach einer Bestätigung der Sicherheitsanforderungen durch das BSI schrittweise über die Modellregionen hinaus zu verbreitern“, so Reinhardt.

Zudem müsse diese Phase von der Gematik weiter eng begleitet werden, um direkte Rückmeldungen aus der Praxis aufnehmen und die ePA und deren nutzerfreundliche Umsetzung in den Primärsystemen kontinuierliche optimieren zu können. „Nur so lässt sich das gemeinsame Ziel erreichen, die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland zielgerichtet und erfolgreich voranzubringen.“

„Eine schrittweise und zunächst freiwillige Einführung der ePA, wie heute vom geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister angekündigt, ist folgerichtig und konsequent“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner.

Es sei gut, dass sowohl die Erfahrungen aus den Testpraxen als auch die Hinweise der KBV aufgenommen beziehungsweise gehört worden seien. „Positiv werte ich die Aussage des Ministers, dass auch künftig niemand sanktioniert werden soll, der unverschuldet die ePA nicht einsetzen kann“, so Steiner.

Es sei enttäuschend, dass Lauterbach heute keinen konkreten Starttermin der ePA genannt habe, erklärte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Dass er stattdessen „nur noch von einer Hochlaufphase außerhalb der Modellregionen in wenigen Wochen spricht“ sei ambitionslos und stünde im Widerspruch zu der „Aufholjagd“ bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, die der Minister immer wieder versprochen habe.

Kritisch sieht Reimann zudem die angekündigte Freiwilligkeit der Nutzung und Befüllung durch die Ärztinnen und Ärzte. „Die bisherigen Erfahrungen sprechen dafür, dass wir verbindliche Fristen und Vorgaben brauchen, um bei der konkreten ePA-Einführung endlich voranzukommen.“ Das gelte insbesondere für die Umsetzung der ePA-Anbindung in den Praxisverwaltungssystemen der verschiedenen Hersteller. „Hier hakt es offenbar noch immer, daher muss hier dringend nachgearbeitet werden.“

Reimann drängt auf eine konstruktive Zusammenarbeit der Beteiligten zur Lösung der Probleme, damit möglichst schnell alle GKV-Versicherten von den Vorteilen der sicheren elektronischen Patientenakte profitieren könnten.

Die Krankenkassen hätten zudem ihre Aufgabe im Zusammenhang mit der Einführung der ePA fristgerecht erledigt, so Reimann. Die Akten seien Anfang Februar ausgerollt gewesen und zwischenzeitliche Probleme beim Zugriff der Arztpraxen auf die Aktensysteme der Krankenkassen konnten Reimann zufolge behoben werden. „Die aufgezeigten Sicherheitsprobleme sind technisch gelöst worden.“

cmk

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